Inselwelten - Eng umgrenzt im Grenzenlosen by Frankfurter Allgemeine Archiv

Inselwelten - Eng umgrenzt im Grenzenlosen by Frankfurter Allgemeine Archiv

Autor:Frankfurter Allgemeine Archiv
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783898432160
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlag
veröffentlicht: 2012-12-18T00:00:00+00:00


Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2.8.2012

Nordamerika und Karibik

Fogo: Die Kunst kommt zum Kabeljau

Fogo Island ist eine kleine Insel im Nordosten Kanadas, die bisher kaum Beachtung gefunden hat. Das will Zita Cobb mit aller Macht ändern. Sie investiert Millionen, um ein internationales Publikum auf ihr Heimateiland zu locken.

Von Franz Lerchenmüller

Spitz und scharf und blendend weiß wie der abgesplitterte Zacken eines jener Eisberge, die draußen im Nordatlantik vorüberziehen, ragt zwischen grauen Felsen und verwitterten Fischerhäuschen eine steile Fassade empor. 'The Squish' ist eines der vier neuen Künstlerstudios, die vom neufundländische Architekten Todd Saunders entworfen wurden und Fogo Island wie moderne Ausrufezeichen schmücken. 'The Bridge' ragt auf Stelzen über einen See, 'The Tower' erinnert an einen hypermodernen Leuchtturm, 'The long Studio' erstreckt sich als überdimensionierte weiße Röhre über rötlich leuchtenden Fels. Eine solche expressionistische Architektur hätte man hier am allerwenigsten erwartet, aber solche Überraschungen gehören auf Fogo Island mittlerweile zum Programm. Denn die neufundländische Insel soll nicht länger ein Dornröschen sein.

Fogo Island, vor der Nordostküste der kanadischen Inselprovinz Neufundland gelegen, ist fünfundzwanzig Kilometer lang und vierzehn Kilometer breit. Es wurde im achtzehnten Jahrhundert von Engländern und Iren besiedelt, hat elf Dörfer mit 2700 Einwohnern und ist immer schon etwas Besonderes gewesen: Als Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf Neufundland die kleinen Küstenorte aufgegeben werden sollten, weigerten sich die Einwohner wegzuziehen. Stattdessen gründeten sie eine Fischereikooperative, die immer noch besteht. Von 1967 an drehte der kanadische Regisseur Colin Law siebenundzwanzig Dokumentarfilme über die Insel im Wandel der Zeiten.

Mit dem Fangverbot für Kabeljau, das 1992 nötig wurde, weil die See leergeräumt war, brach das wirtschaftliche Fundament Neufundlands zusammen. Viele Insulaner suchten Arbeit in Ontario oder Alberta, viele kamen im Gas- und Ölgeschäft oder in der IT-Branche unter. Die Kooperative auf Fogo aber fischte weiter. Man stieg auf Makrele, Hering, Shrimp und Königskrabbe um und fängt seit 1997 wieder in kleinem Maßstab Kabeljau. Aber auch der Tourismus sollte als neues wirtschaftliches Standbein entwickelt werden. Und hier kommt Zita Cobb ins Spiel. Im Jahre 2007 gründete die ehemalige IT-Managerin die Shorefast-Stiftung, benannt nach dem Haltetau, mit dem Kabeljau-Reusen mit dem Festland verbunden sind. Ende der neunziger Jahre hatte sie in Kalifornien in einem Unternehmen der Glasfaserindustrie ein Vermögen gemacht, anschließend die Welt bereist und dann beschlossen, einen Teil ihres Geldes einzusetzen, um der Insel, auf der sie groß geworden war, zu neuer Blüte zu verhelfen.

Man trifft die heute Dreiundfünfzigjährige beim Einkaufen oder bei den Proben der Stepptanzgruppe im Gemeindehaus, und sie steht dem europäischen Besucher wie dem Arbeiter aus der Fischfabrik gleichermaßen Rede und Antwort. 'Wir vergeben Geld, aber keine Geschenke', sagt sie lachend, 'das Projekt soll Profit abwerfen, und jeder verdiente Cent wird wieder investiert.' Es fällt nicht schwer, in der energischen, schlanken Frau mit den rotblonden Fransen das schlaksige Mädchen zu erkennen, das so verblüffend gut rechnen konnte, mit fünf in ein TBC-Sanatorium auf der Hauptinsel geschickt wurde und, als es nach einem Jahr zurückkam, immer den anderen vorweg war und immer seine Ungeduld zügeln musste – wie auch jetzt wieder so oft.



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