Inselhotel 02 - Inselhochzeit by Sandra Luepkes

Autor:Sandra Luepkes [Luepkes, Sandra]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945), General, Fiction
ISBN: 9783644546417
Google: 6Sx3BQAAQBAJ
Herausgeber: Rowohlt Verlag GmbH
veröffentlicht: 2015-05-30T21:00:29.674000+00:00

Die Tagesordnung war ärgerlich und viel zu lang. Typisch, die Nichtskönner im Rathaus packten in der stressigen Vor- und Hauptsaison mit Vorliebe sperrige Themen in die Sitzungen. Kein Wunder, waren ja auch alles Schreibtischhengste, die von richtiger Arbeit keine Ahnung und jedes Wochenende frei hatten.

Bischoff war hundemüde, es fiel ihm schwer, den Worten des kleinen Bürgermeisters zu lauschen. Im vorletzten Punkt ging es um die Festsetzung der Kurbeiträge, diese Entscheidung verlief jedes Jahr zäh, stets gab es Palaver und Gezanke.

Siebelt Freese sprach sich vehement gegen eine Erhöhung um zehn Cent pro Nacht und Gast aus, die von den Freien Wählern waren auch dagegen, die Ökos stellten Bedingungen – irgendwas mit Naturlehrpfaden –, und die Sozis hatten die Begründung für ihre Ablehnung sogar als Powerpoint-Präsentation vorbereitet, ganz modern. Und Hanne Hahn hatte irgendetwas von Familienrabatt gefaselt, Vater – Mutter – Kind war eben immer ihr Thema.

Bischoff musste ein herzhaftes Gähnen unterdrücken. Letzte Nacht war er abermals mit dem Schneidewerkzeug in den Dünen unterwegs gewesen. So langsam spürte er die späten Ausflüge in den Knochen. Doch leider hatte er keinen Sohn, an den er die alte Familientradition hätte weiterreichen können. Noch nicht einmal eine Tochter. Und seine Frau war ihm vor Jahren davongerannt, ausgerechnet mit dem Masseur. Er trauerte ihr nicht hinterher, doch dass er im Hotel und drum herum für alles allein die Verantwortung zu tragen hatte, nervte ihn zunehmend. Vielleicht sollte er mal seinen Hausmeister Uwe in die hohe Kunst des Dünengrasschneidens einweihen? Der Knabe ahnte doch eh schon, wofür er seit Jahren regelmäßig die Klingen der Heckenschere schärfen musste. Der würde das ordentlich machen – gegen eine kleine Bonuszahlung natürlich. Doch das war es Bischoff wert, er brauchte seinen Schlaf.

«… können wir zur Abstimmung kommen. Hallo? Gerd?» Jemand klopfte vor ihm auf den ovalen Holztisch. Bischoff zuckte zusammen, und die Hand, auf die er sein Kinn abgestützt hatte, rutschte weg. Mist, nun hatte er völlig den Faden verloren.

«Ja?»

Alle, die am runden Tisch saßen, starrten ihn an. Hatte er etwa gesabbert?

«Deine Partei hat den Antrag gestellt!», sagte Freese und zog seine Klopfhand zurück. «Und du bist der Vorsitzende, Gerd. Also wäre es gut, wenn du den genauen Wortlaut noch mal für das Protokoll wiederholst.»

Das tat Bischoff, wenn auch stockend. Sein Mund war trocken, wurde Zeit, in die Schaluppe abzuwandern. Nur noch diese Abstimmung. Wer ist dafür, wer dagegen? Die Finger zeigten auf. Sieben zu sechs, Mist, knapp verloren. Hanne Hahn grinste hässlich. Obwohl sie als Gleichstellungsbeauftragte gar kein Stimmrecht hatte, tat sie jedes Mal so, als wären die wichtigsten Entscheidungen von ihr getroffen worden. Seine Parteifreunde schauten ihn vorwurfsvoll an, als trage er die Schuld an der Niederlage. Bischoff schaffte ein lasches Schulterzucken.

Zum Abschluss hakten sie noch schnell die lästige Pflicht der Bürgerfragestunde ab. Es waren jedoch nur drei Leute anwesend. Der junge Kerl in der ersten Reihe schrieb für den Inselboten und war auch froh, wenn das hier überstanden und endlich Feierabend war. Die beiden anderen schienen Kurgäste zu sein, die im Urlaub nichts Besseres zu tun hatten, als Ratssitzungen zu besuchen.

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