Indianer im Kopf by Corinna Behrens
Autor:Corinna Behrens
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Butze Verlag
Ich landete wieder auf der Erde. Mit dem Rücken ans Sofa gelehnt, hielt ich Mirjam vor mir in meinen Armen. Nackt und verschwitzt waren unsere Körper. Sanft küsste ich ihren Nacken und streichelte sie. So saßen wir schweigend eine Ewigkeit und fanden beide keine Worte für das, was zwischen uns passiert war.
»Was haben wir nur getan?«, unterbrach Mirjam leise die Stille. »Das darf niemals herauskommen.«
»Es wird nicht herauskommen«, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste sie auf ihren weichen Mund.
»Was macht dich so sicher?«, fragte Mirjam. »In so einem kleinen Ort wie Lütjenstede bleibt nichts geheim.«
»Von mir weiß es doch auch noch keiner.«
»Was?« Mirjam sah mich forschend an. »Dass du lesbisch bist?«
»Ähm, ja.« Ihr Blick verunsicherte mich.
»Versteckst du deine Gefühle, weil du meinst, es ist falsch, eine Frau zu lieben?« Mirjams Stimme klang bitter, fast zynisch.
Ich schluckte. »Nein, natürlich nicht. Aber es gab bisher keinen Grund, mich zu outen.« Sanft drückte ich sie an mich. »Mir ist aufgefallen, dass du einige Narben am Körper hast und …«, ich küsste ihren Hals, »hier blau-gelbe Flecken. Sind die etwa alle von deinem Treppensturz?«
Mirjam senkte die Augen und ich sah, dass sie sich auf die Lippen biss. »Sorry, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.«
Mirjam schüttelte den Kopf. »Nicht nur von der Treppe, es sind auch ältere Narben. Es ist mir peinlich, weil ich manchmal so ein Tollpatsch bin. Ich falle vom Fahrrad, stolpere über Gegenstände oder rutsche in der Badewanne aus.«
Das Telefon klingelte und ich spürte, wie Mirjam zusammenzuckte. »Das wird Holger sein«, sagte sie. »Er ist in Hannover.«
»Lass es doch klingeln. Er wird sich später noch einmal melden.«
Mirjams Blick ging zur Wohnzimmeruhr. Halb zehn. Sie wand sich aus meinen Armen und erhob sich. Zögerlich nahm sie den Hörer ab und meldete sich leise. Sie erzählte Holger, dass sie Religionsarbeiten korrigierte. Ich betrachtete ihren schlanken, geschmeidigen Körper und riss mich zusammen, um nicht aufzustehen und sie in den Arm zu nehmen. Die Situation hatte etwas Groteskes. Mirjam sprach mit ihrem Mann, meinem Erzfeind, nachdem wir uns kurz vorher auf dem Teppichboden seines Hauses geliebt hatten. Wenn er das erführe … Ich wollte nicht daran denken.
Mirjam blieb eine Weile stumm. Wahrscheinlich erzählte ihr Huber einiges von dem Kurs. Sie lächelte ein paar Mal und meinte, dass sie bald ins Bett ginge.
»Ich dich auch«, sagte sie zum Abschied und ich wusste, worauf sie antwortete. Ein bohrender Schmerz in meinem Herzen machte sich bemerkbar. Eifersucht! Sie beendete das Telefonat und blieb noch einen Moment lang mit dem Rücken zu mir stehen. Als sie sich umdrehte, hatte sich ihr Blick verändert. Sie griff nach ihrer Bluse, die auf dem Boden lag. »Du musst jetzt gehen«, sagte sie zu mir und ihre Stimme klang schmerzhaft sachlich, wenn man bedenkt, dass wir gerade miteinander geschlafen hatten. Sie zog sich die Bluse über.
Ich stand auf und meine Nacktheit fühlte sich auf einmal unangenehm an. Ich nahm meinen Pullover in die Hand und trat zu ihr. Eine Handbreite trennte uns voneinander.
»Ich liebe dich, Mirjam«, sagte ich mit fester Stimme.
Mirjam schüttelte den Kopf.
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