In einem weiten Land by Nicholls Johanna

In einem weiten Land by Nicholls Johanna

Autor:Nicholls, Johanna
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Page und Turner
veröffentlicht: 2014-09-29T16:00:00+00:00


NEUNUNDZWANZIG

Ein goldener Tag eine Woche später war wie ein Geschenk des Himmels für Mungo, denn er eröffnete ihm alle Möglichkeiten. Der nichts ahnende Grund dafür war Felix, der sich heimlich in Mookaboola aufhielt, um das dortige Haus in ein Prunkstück für seine zukünftige Mätresse zu verwandeln. Das Wetter war wie geschaffen für Mungos eigenen Geheimplan. Ein endlos blauer Himmel breitete sich über ihnen aus, mit nur wenigen, vereinzelten Wolkenfetzen, wie um zu beweisen, dass er nicht eine trügerische Spiegelung des Ozeans war. Die Sonne hatte genau die richtige Temperatur – nicht zu heiß, um die helle englische Haut zu verbrennen, aber auch nicht zu kühl, um seinen Plan für ein Biwak zu durchkreuzen.

Er war sorgfältig, aber lässig gekleidet: ausgebleichte Moleskinhose, rotes Halstuch, gestreiftes Hemd, die goldene Uhrkette über der Weste aus Schafsleder, unterstrichen von seiner üblichen, selbstbewussten Haltung.

So erschien er mit dem Pferdewagen der Familie L’Estrange vor der Tür seiner Mutter. Mit dem breitkrempigen Hut in der Hand betätigte er den neuen Türklopfer in Gestalt eines Löwenkopfes.

»Was verschafft mir diese Ehre zu so früher Stunde?«, fragte Jane misstrauisch.

Durch den Rundbogen, der die beiden unteren Räume verband, sah er Vianna am Küchentisch sitzen. Der flüchtige Blick, den sie ihm zuwarf, während sie etwas auf ihre Schiefertafel schrieb, verriet ihm zweierlei: Er war eindeutig in Ungnade gefallen, und seine Mutter hatte sich in Viannas Verbündete verwandelt.

Was zum Teufel habe ich bloß angestellt, dass Vianna so wütend ist? Seit ihrem Besuch bei Sandy benimmt sie sich ziemlich merkwürdig. Mam behauptet, ich sei schuld, angeblich habe ich sie genötigt, das ganze Alphabet auf einmal zu lernen. Aber Vianna will doch lesen und schreiben lernen, wo liegt dann das Problem?

Mungo erklärte seiner Mutter seinen Plan, sprach aber laut genug, sodass seine Worte in der Küche zu hören waren. »Ich bin auf dem Weg nach Illawarra, um mit dem Aufseher des Sägewerks zu sprechen. Die Buschräuber sind dabei, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mitzunehmen, sogar die Ochsengespanne, mit denen wir das Zedernholz nach Sydney transportieren.« Plötzlich verstummte er. Verdammt, das wird sie wohl kaum ermuntern. »Wie auch immer, es ist ein herrlicher Tag. Ich habe mich gefragt, ob Vianna Lust auf einen Ausflug hätte – wir könnten am Strand picknicken. Ich dachte, dass die Meerjungfrau vielleicht das Meer sehen möchte.«

Jane winkte ihn herein. »Klingt nach einer guten Idee. Die Kleine sitzt schon seit Tagen nur über ihren Büchern. Etwas frische Luft würde ihr bestimmt guttun.«

Vianna reagierte kühl. »Nein danke. Ich gehe nie ohne eine Zofe aus dem Haus.«

Jane hob die Augenbrauen zu einem Ausdruck, der keiner Worte bedurfte. »Na, dann setz dich erst mal, mein Junge. Das Wasser kocht, und so kannst du wenigstens noch eine Tasse Tee trinken, bevor du aufbrichst.«

Mungo setzte sich an den Küchentisch und trank seinen Tee so langsam wie möglich. Er wollte Zeit gewinnen, um jedes Quäntchen Charme, das er besaß, auszuspielen, mit dem Ziel, Vianna doch noch herumzukriegen. Er spürte, dass Jane zwar nicht offen für ihn Partei ergriff, aber sein Vorhaben insgeheim befürwortete.

»Zu dieser Jahreszeit führen die Tiere ihren Nachwuchs vor, Vianna«, erklärte er, was, zugegeben, maßlos übertrieben war.



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