In der Mitte des Lebens by Käßmann Margot

In der Mitte des Lebens by Käßmann Margot

Autor:Käßmann, Margot
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Herder Verlag GmbH
veröffentlicht: 2010-06-14T16:00:00+00:00


Ein Freund, ein guter Freund,/ das ist das Schönste was es gibt auf der Welt!/ Ein Freund bleibt immer Freund/ und wenn die ganze Welt zusammenfällt.

Drum sei auch nicht betrübt,/ wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt:/ ein Freund, ein guter Freund,/ das ist das Beste, was es gibt!

Das gilt sicher auch heute und natürlich auch für eine Freundin. Denn eine Freundin, ein Freund sind auch heute die Ersten, die bei Liebeskummer, Eheproblemen, eigener Verzagtheit, tiefen Lebensfragen, beruflichen Weichenstellungen gefragt und gehört werden. Ich habe Freundinnen erlebt, die mir in den schwersten Zeiten meines Lebens zur Seite gestanden haben wie Felsen in der Brandung. Und ich habe erlebt, wie ich selbst für Freundinnen in schwierigster Lage solche »Felsenfunktion« übernehmen konnte. Wirkliche Freundschaft ist nie einseitig belastet, sondern gleicht sich aus im Geben und Nehmen über die Jahre.

In der Mitte des Lebens gilt es deshalb, die Freundschaft zu pflegen, einander zu begleiten und gemeinsame Pläne zu schmieden. Dabei können sich auch lustige Zusammenhänge ergeben: Ich war 2007 auf der Documenta in Kassel und in die Ausstellung vertieft, als mich eine Journalistin auf dem Handy anrief und ziemlich direkt fragte, ob es einen »neuen Mann in meinem Leben« gebe? Ich war ziemlich perplex und sagte wahrheitsgemäß: »Nein!« Daraufhin sagte sie: »Wie wollen Sie denn dann alt werden?« – Da ich kurz zuvor aus New York zurückgekommen war, wo ich drei wunderbare Tage mit zwei amerikanischen Freundinnen verbracht hatte, sagte ich spontan: »Wahrscheinlich in einer Frauen-WG in New York.« Dieser Satz wurde danach immer wieder zitiert. Inzwischen kann ich darüber lachen. Warum eigentlich nicht? Vielleicht wird es so sein. Lange Jahre habe ich gedacht, in einer Ehe alt zu werden; aber warum nun keine Frauen-WG? Ich finde diese Vorstellung gar nicht abwegig – es steckt in ihr eine ausgewogene Mischung aus Nähe und Distanz.

Vorstellen kann ich mir aber zum Beispiel auch, in einem Haus in Hannover zu leben, andere Frauen in umliegenden Wohnungen, mit denen ich manches teile, Kino und Kummer, Kaffee und die Kanarischen Inseln als Urlaubsort. Jedenfalls finde ich großartig, dass es solche Vorstellungen vom gemeinsamen Altwerden gibt, die nicht als zweitklassig betrachtet werden, sondern als kreative Möglichkeiten, das Eigene zu bewahren und – in aller Freundschaft – Gemeinsames zu wagen und zu gestalten. Vielleicht werde ich auch in einer neuen Beziehung zu einem Mann leben, die offene Türen kennt, die das Miteinander feiern kann. Überraschungen sind immer möglich, aber ich finde gut, offen zu sein für alternative Formen.

Für gemeinsame Perspektiven im Alter mit Freundinnen und Freunden ist es nötig, die Freundschaften auch zu pflegen. Zeit zu investieren ist wichtig, gemeinsame Zeiten planen, Feste feiern, zusammen eine Ausstellung besuchen, einen Kurzurlaub miteinander verbringen. Wir müssen oft aufholen und einander auf den Stand bringen, was sich im Leben ereignet – oft bleibt im Alltag gar keine Zeit, das zu erzählen. Freundschaften brauchen Hege und Pflege. Je älter wir werden, desto besser begreifen wir das. Desto mehr wissen wir wirkliche Freundschaft auch zu schätzen und was wir aneinander haben. Das kann in so mancher Lebensphase weit tragen.



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