In der Gestalt des Schwarzen Piraten (German Edition) by Christina Warwel

In der Gestalt des Schwarzen Piraten (German Edition) by Christina Warwel

Autor:Christina Warwel [Warwel, Christina]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
veröffentlicht: 2014-07-11T22:00:00+00:00


"Geliebte Cara!

Ich hoffe sehr, Lis und Du versteht euch noch so gut wie in England, aber auch wenn ich mich mit dem Gedanken, daß Lis wieder bei deinem Onkel im Stall steht, nicht so recht anfreunden kann, so ist sie bei Dir doch immer noch am Besten aufgehoben. Wenn es sich einrichten läßt, sei in der Nacht zu Montag auf der kleinen Vorinsel, westlich von der äußersten Landspitze im Norden. Bei Ebbe kannst Du leicht rüber reiten. Gib Acht, daß Dir keiner folgt.

Daniel."

Cara ließ den Brief wieder verschwinden, da sie sich dem Markt bereits über eine schmale Seitengasse, die die direkteste Verbindung zwischen diesem und Sir Peius Residenz bildete, näherten. Die aus gelblichem Stein erbauten Häuser ragten mehrere Stockwerke hoch auf und spendeten sich so gegenseitig Schatten. Trotzdem war es schon um diese doch recht frühe Zeit unangenehm heiß. Draußen auf See wehte wenigstens noch eine frische Brise, die etwas Kühlung versprach, aber hier in der Stadt schien die Luft auf der Stelle festzukleben. Von dem Markt drangen verschiedene, bunt gemischte und, je näher sie dem Platz kamen, immer lauter werdende Geräusche zu ihnen herüber. Dann standen sie auch schon, von zwei Ständen eingerahmt, mitten vor dem alten Ziehbrunnen. Cara hielt Lis an und sah sich nach Julia um. Silver hatte ihr fast die ganzen Zügel aus der Hand gezogen und trottete nun ganz gemütlich in einigem Abstand hinter seiner Schwester her, ohne sich an Julias Versuchen, ihn zu einem etwas zügigerem Tempo anzutreiben, zu stören.

Cara wandte sich schmunzelnd dem Marktplatz zu. Trotz des Verbotes der Bettelei durch Sir David Peius saßen auf den drei Stufen um den Brunnen herum einige Almosenempfänger verschiedenen Alters. Manche von ihnen, überlegte Cara, konnten nicht viel älter als sie sein. Dennoch war für sie das Leben schon vorübergegangen, bevor es erst richtig begonnen hatte. Der Krieg hatte sie zwar nicht das Leben gekostet, dafür aber andere Teile ihres Körpers. Doch was machte das jetzt noch für einen Unterschied? Ohne Aussicht auf Arbeit oder Hilfe durch andere war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihre ausgemergelten Körper völlig verhungert waren. Und wen störte es dann noch? Vermutlich gar keinen. Erst waren sie die Helden, die das Vaterland so dringend brauchte und wenn der Bleihagel dann seinen Tribut an Menschen gefordert hatte, dann waren sie nichts mehr als eine böse Erinnerung der Gesellschaft an Vergangenes, die man am Besten so schnell wie möglich völlig verdrängte. Der Verschleiß der Gesellschaft, benutzt, ausgequetscht wie eine reife Orange bis auf den letzten Tropfen Saft, fortgeworfen, vergessen, an von den Wogen und Launen des Schicksals an Land gespült, übersehen und aus der Gesellschaft, die jetzt keine Verwendung mehr für sie hatte, ausgestoßen.

Was mußte im Leben eines Menschen geschehen, daß er gegen das Verbotes des Gouverneurs noch hoffte, daß ihm jemand etwas gab? Arbeit! Es kam Cara in Anbetracht dieser Gestalten und den Leuten um sie herum wie Hohn vor. Die Einen konnten kaum arbeiten, um sich etwas Geld zu verdienen, die Anderen hatten selbst kein Geld, um noch einen Angestellten zu finanzieren.



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