In den Gassen der Stadt by Jenny Green
Autor:Jenny Green [Green, Jenny]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783956091209
Herausgeber: édition el!es
veröffentlicht: 2015-04-28T16:00:00+00:00
In einer kleinen Kneipe saßen sie sich gegenüber. Astrid hielt ihr Glas umklammert und wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Bisher war es immer Lea gewesen, die mit ihrer quirligen Art für Gesprächsstoff gesorgt hatte. Nur nicht heute.
»Was ist los, Lea?«, fragte Astrid, als sie das Schweigen nicht länger ertragen konnte.
Lea presste die Lippen aufeinander und ließ ihren Blick durch die Kneipe schweifen. »Ich weiß es nicht. Heute ist einfach nicht mein Tag.«
Astrid musterte sie, doch Lea wich ihrem Blick konsequent aus. »Da ist doch noch mehr.«
Lea schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier und blickte dann wieder abwesend ins Leere.
»Lea, ich bin doch nicht blöd. Hat es etwas mit mir zu tun? Habe ich irgendwas getan, weswegen du jetzt sauer bist? Dann sag es mir bitte.«
»Eher etwas nicht getan«, seufzte Lea. Immer noch sah sie Astrid nicht an. Das Ganze schien ihr peinlich zu sein. »Aber ich bin nicht sauer, vor allem nicht auf dich.«
Astrid beugte sich vor. »Was nicht getan?«
»Ich dachte, wir hätten Spaß gehabt . . .«, begann Lea.
»Aber das hatten wir doch«, fiel Astrid ihr prompt ins Wort, was ihr jedoch nur einen kurzen, vorwurfsvollen Blick einbrachte.
Dann fuhr Lea fort: »Ich dachte, du meldest dich vielleicht. Aber da habe ich wohl falsch gedacht.«
Astrid ließ sich zurück gegen die Stuhllehne sinken. »Das hat nichts mit dir zu tun.«
»Sondern?« Endlich sah Lea ihr ins Gesicht.
»Ich hatte viel um die Ohren«, sagte Astrid und merkte selbst, dass das nach einer faulen Ausrede klang.
Lea hob eine Augenbraue. »Viel um die Ohren also.«
»Vor einigen Tagen war die Testamentseröffnung meiner Mutter. Ich war mit meiner Schwester in München.«
Augenblicklich schoss Lea die Röte ins Gesicht. »Das wusste ich nicht«, stammelte sie verlegen.
Astrid hob die Schultern. »Woher solltest du auch, wenn ich nichts sage. Na ja, jedenfalls mussten viele Dinge geklärt werden, die weniger angenehm waren. Um das meiste hat sich meine Schwester Cornelia gekümmert, aber ich wollte sie nicht ganz allein damit lassen. Deshalb bin ich mit ihr nach München gefahren.«
»Klar, das verstehe ich doch«, sagte Lea schnell. Astrid merkte, wie dumm sie sich angesichts dieser Erklärungen vorkam.
Ja, sie hätte Lea das alles früher sagen können. Doch sie hatte all ihre Kraft gebraucht, um sich überhaupt nur darum zu kümmern. Es war eine Familienangelegenheit, eine zermürbende noch dazu, und außer Emma hatte sie niemandem davon erzählt, um sich nicht auch noch mit Mitgefühl und gut gemeinten Nachfragen auseinandersetzen zu müssen. Aber natürlich war es offensichtlich, dass Lea etwas ganz anderes gedacht hatte.
»Der größte Teil ist erledigt«, fuhr Astrid fort. Sie wollte nicht, dass Lea sich schlecht fühlte, weil sie aus Astrids Schweigen die falschen Schlussfolgerungen gezogen hatte. Also bemühte sie sich jetzt um Offenheit: »Außerdem habe ich beschlossen umzuziehen. Ich dachte mir, eine neue Wohnung könnte auch so etwas wie ein Neuanfang sein.«
»Aber das klingt doch toll, das mit der Wohnung«, erwiderte Lea. Ihre Wangen glühten immer noch.
Astrid seufzte. »Der nächste große Brocken. Und das schon in ein paar Wochen.« Jede Herausforderung, sei sie auch noch so unbedeutend, kam ihr im Moment vor wie ein unbezwingbarer Berg.
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