In Augenschein genommen by Evelien Timpener

In Augenschein genommen by Evelien Timpener

Autor:Evelien Timpener
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2022-07-04T15:41:57.714000+00:00


3.8

Die Kartenskizze als visualisiertes Grenzprotokoll. Eine gemeinsame Inspektion zur lokalen Konfliktlösung zwischen Bernsburg und Ruhlkirchen (1563 – 1571)

Karte P ist eine recht einfach gezeichnete Skizze, bestehend aus drei losen Blättern.400 Zusammengesetzt bietet sie eine grobe Übersicht über die Gegend um Alsfeld, Arnshain und Ruhlkirchen, etwa 35 km östlich von Marburg. Die Kartenskizze entstand vermutlich 1571 bei einer Inaugenscheinnahme im Rahmen einer (versuchten?) Einigung. Sie zeigt Bäume, Mühlen und sonstige Erkennungspunkte entlang verschiedener Linien (Begehungen) und Wege.401

Ursprünglich waren die drei Kartenblätter zusammen mit einem ungeordneten Dossier mit hessischer Amtskorrespondenz402 und einer Akte mit Grenzbeschreibungen von 1571403 eingebunden. Mittlerweile ist die alte Archivsignatur404 in verschiedene Archivalien mit eigenen Signaturen aufgeteilt. Wie die frühere Zusammenstellung bereits vermuten lässt, sind diese drei Signaturen inhaltlich eng miteinander verbunden. Sie beschreiben die vielen kleineren und größeren Konflikte und Streitigkeiten zwischen dem hessischen Bernsburg und dem mainzischen Ruhlkirchen in der Zeit zwischen 1563 und 1571.405 Ähnlich wie bei Karte A ist auch hier die Rede von Holzrechten und undeutlichen Grenzverläufen. Aus der überlieferten Korrespondenz wird deutlich, dass immer wieder Treffen und gemeinsame Besichtigungen vor Ort zur Konfliktlösung geplant wurden, diese aber nicht immer mit Erfolg gekrönt waren.406 Was Text und Bild betrifft, zeigen die Grenzbeschreibungen eine enge Verbundenheit mit der Kartenskizze.

Die zwei Grenzbeschreibungen entstanden Anfang April 1571 anhand eines gemeinsamen Umgangs.407 Zuerst wird eine Mainzer, dann eine hessische Grenzbeschreibung aufgeführt. Vermutlich ist dabei auch die Kartenskizze P entstanden, denn sowohl der hessische als auch der Mainzer Umgang sind als rotbraune Linien eingezeichnet worden. Während die obere Linie, auf der Karte angedeutet als Mainzer Gang, nicht alle textuellen Zwischenstationen visualisiert, deckt sich die untere Linie (der hessische Umgang) ziemlich genau mit der schriftlichen Grenzbeschreibung. Sie führt vom Entenschnabel (ganz links) über die Mühle bis zu den verschiedenen textuell genau beschriebenen Bäumen und Brunnen bis zu den blauen Pfützen am rechten Kartenrand. Hingegen sind bestimmte Orte, die in der Mainzer Grenzbeschreibung eine wichtige Rolle einnehmen, wie der Lochbaum oder der „Dauben Acker“, nicht in die Karte aufgenommen worden.408 Was das Eigentum der Wiesen betrifft, finden sich große Übereinstimmungen sowohl in den Texten auf der Karte als auch in den jeweiligen Grenzbeschreibungen. Offenbar stimmten beide Seiten überein, dass die Wiesen, die in etwa zwischen den beiden Linien liegen, größtenteils als Mainzer Eigentum festzuhalten seien.

Der Umstand, dass die untere Linie für den hessischen Umgang viel stärker mit Zwischenstationen ausgeschmückt ist als die Linie für die Mainzer Begehung, lässt bereits eine hessische Kartierung vermuten, und die Überlieferung in einer hessischen Akte spricht klar dafür. Insgesamt scheint es sich bei P um eine visualisierte Grenzbeschreibung zu handeln, die zwar auf hessischer Seite entstanden ist, aber auch Klarheit über die Mainzer Grenzvorstellung geben will.



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