Imago - Die geheime Reise by Abedi Isabel

Imago - Die geheime Reise by Abedi Isabel

Autor:Abedi, Isabel [Abedi, Isabel]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2012-08-27T20:38:46+00:00


Taro, sie dachte an Taro, an all die wunderbaren Dinge, die sie und Mischa mit ihm erlebt hatten. Und an die schrecklichen. An seinen Sturz, an seinen leblosen Körper auf dem Boden der Manege. »Ich will nur wissen, ob die Menschen in diesen Bildern wirklich sind«, schluchzte sie.

Der Hüter der Bilder beugte sich vor. Seine Stimme

war jetzt so heiser, dass Wanja sich anstrengen musste, um die Worte zu verstehen. »Über das, was wirklich, und das, was nicht wirklich ist, haben sich schon seit Urzeiten unzählige Menschen den Kopf zerbrochen und noch heute scheiden sich an dieser großen Frage die Geister. Für meine Begriffe ist all das, was uns wirklich berührt, auch wirklich wahr. Und wenn sich unser

Innerstes für eine Welt öffnet …«, der Mann schwieg einen Moment, »dann öffnet sich diese Welt auch für unser Innerstes und wird unsere Wirklichkeit – solange wir es brauchen.« Nach diesen Worten machte er eine lange Pause. Dann fügte er mit plötzlich klarer Stimme hinzu. »Kannst du mit dieser Antwort leben?«

Wanja nickte. Ganz langsam, aber sie nickte. Dann

zeigte sie auf die Sanduhr. »Ist das die Zeit … die Mischa noch bleibt?«

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Der Hüter der Bilder legte die Sanduhr in seine flache dunkle Hand, als könne er dadurch das Weiterrieseln des Sandes aufheben. »Ich wünsche dir Glück«, sagte er nur.

»Denn eine zweite Chance gibt es nicht.«

Der Hüter der Bilder wandte sich an die alte Frau, die jetzt neben Wanja getreten war. »Führ sie nach draußen, Ananda.«

Mit diesen Worten stand er auf und ging in das Innere des Turmes. Mit jedem Schritt, mit dem er kleiner wurde, wurde der Turm größer. So groß, dass Wanja durch die Tür in ihn hineinsehen konnte. Bilder hingen an den Wänden. Porträts, rot gerahmt, in leuchtenden Farben.

Nur eines war dunkel. Wanja sprang vor. Doch da hatte sich die Tür des Turmes bereits geschlossen.

Das Bild löste sich auf, verblich, langsam, wie es entstanden war.

Das Rauschen des Meeres und der Geschmack von

Salz waren das Letzte, was blieb.

Dann löschte die alte Frau die Kerzen und führte Wanja nach draußen zur roten Tür im großen Saal.

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ZURÜCK

I n der Kunsthalle herrschte noch immer reger Betrieb, und als Wanja in die Eingangshalle trat, wurde sie erwartet. Von Natalie und Alex.

»Was um Himmels willen war denn los?« Ganz blass

war Alex plötzlich und auch in Natalies Gesicht mischten sich Verwirrung und Angst.

»Ich …« Wanja schluckte. »Ich weiß nicht, wo ich

anfangen soll. Im Bild ist etwas Schreckliches passiert und Mischa«, Wanja senkte die Stimme, als ein Mann an ihnen vorbei zum Ausgang ging, »Mischa ist drin geblieben.«

»Wie drin? Im Bild?« Alex stand der Mund offen.

»Aber Mischa war doch da.«

»War er eben nicht.« Wanja traten schon wieder die

Tränen in die Augen. »Das war nur sein äußerer Körper.

Sein … sein Reisekörper ist im Bild.«

»Sein was?« Natalie runzelte die Stirn.

Wieder gingen Leute an ihnen vorbei. Eine ältere

Dame musterte mitleidig Wanjas verweintes Gesicht.

Wanja wandte sich zum Ausgang. »Ich will hier raus.«

Eisiger Wind blies den Jugendlichen auf den Stufen

entgegen. Natalie und Alex klappten ihre Kragen hoch und zogen die Köpfe ein. Aber Wanja stand nur da und sog den Wind in ihre Lungen.



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