Imagery by Christoph Marzi

Autor:Christoph Marzi [Marzi, Christoph]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-01T05:00:00+00:00

Mittwoch, 20. Oktober

Die Kopfschmerzen waren wieder aufgetaucht, was ich zu ignorieren versuchte. Ich konnte es nicht erwarten, alles über jenes ominöse Projekt.com in Erfahrung zu bringen.

Überrascht starrte ich auf den Bildschirmanzeige.

ILLEGALE DATENÜBERTRAGUNG

BEGINNE LÖSCHVORGANG IN DREISSIG SEKUNDEN

PASSWORD ERFORDERLICH ****

„Verdammt“, fluchte ich.

„Was ist passiert?“, erkundigte sich Patricia, die meinen Ausruf im Nebenraum mitgehört hatte.

ALLE DATEN WERDEN GELÖSCHT

„Die Daten können nicht gelesen werden“, rief ich ärgerlich in die Küche hinüber.

Annie kam ins Wohnzimmer gerannt, gefolgt von Patricia. „Wenn wir kein Passwort eingeben“, stellte Annie fest, „wird die Datei gelöscht.“

Genau das geschah bereits.

„Mist“, fluchte Patricia. „Die haben da etwas Neues entwickelt. So eine Sicherung habe ich noch nie gesehen.“

„Wieso war es dann Deckard möglich, die Datei zu lesen?“ Meine Stimme überschlug sich aufgeregt. Auf dem Bildschirm konnte ich resigniert beobachten, wie die unverständlichen Textzeilen langsam verschwanden, sich in einem schwarzweißen Filigran aufzulösen begannen. So viel zu dem Beweismaterial, dachte ich gallig.

„Was jetzt?“, wollte Patricia wissen.

Annie zuckte die Achseln.

„Wir können gar nichts machen“, stellte ich aufgebracht fest. Welche Daten auch immer in dieser Datei gewesen sein mochten – ich würde sie nie zu lesen bekommen. Lähmende Enttäuschung befiel mich. Nach all den Anstrengungen sollte das das Ende sein?

„Wir werden einen anderen Weg finden“, murmelte Patricia.

Ich war nicht ganz so zuversichtlich. „Ach ja?“

Sie nickte.

„Ich denke, ehe wir uns darüber Gedanken machen, was morgen zu tun ist“, schlug Patricia vor, „sollten wir uns etwas ausschlafen. Wir sind alle übermüdet, und ich glaube nicht, dass es uns in diesem Zustand leichter fallen wird, Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden.“

„Vielleicht hast du recht“, ergab ich mich dem Schicksal.

Der Gedanke, mich in ein Bett fallen zu lassen und einige Stunden zu schlafen, wirkte in der Tat verlockend.

„Es ist sicher die beste Lösung“, war Annies Meinung dazu.

Ich seufzte.

Es gab so viele offene Fragen.

Trotz allem entschloss ich mich, Patricias Aufforderung zu folgen.

„Lassen Sie von sich hören“, sagte Annie zum Abschied, „und passen Sie auf sich auf. Alle beide.“

Typisch Annie.

Ich wollte gar nicht wissen, worüber sie mit Patricia in der Küche hatte reden wollen.

Schließlich verließen wir Annies Haus, und als wir Patricias Wohnung in der Shawmut Avenue erreichten, war es bereits kurz vor ein Uhr morgens. Ich ließ mich auf die Couch im Wohnzimmer fallen und hatte vor, meiner Exfrau etwas zu sagen, das ihr zeigte, wie dankbar ich für ihre Unterstützung und Gegenwart war.

Irgendwie hatte ich mir die erste Nacht, die wir seit über einem Jahr wieder zusammen verbringen würden, etwas anders vorgestellt.

Ich registrierte noch, dass Patricia sich an der Couch zu schaffen machte und etwas sagte, das wie durch einen dichten Nebel an mein Ohr drang. Doch bevor ich ihr eine geflüsterte Antwort geben konnte, war ich bereits eingeschlafen.

+++

Als ich erwachte, war es heller Tag. Ich hatte in den vergangenen Stunden tief und fest geschlafen, vollkommen traumlos. Mir schien es, als habe sich mein Körper mit Gewalt den ihm zustehenden Schlaf genommen.

Ich blinzelte verdrießlich.

Im ersten Moment fehlte mir die Orientierung, und ich fragte mich, wo ich sei. Das Wohnzimmer wirkte aus der Perspektive, aus der ich es wahrnahm, verzerrt und fremdartig.

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