Im dunklen Holz: Thriller (German Edition) by Robert Marten

Autor:Robert Marten
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-07-20T22:00:00+00:00

Die Baumlinie am Horizonte

in Schwarz und Grün aus hellem Feld.

Verboten lockt sie die besonnte

in Heidekraut bewahrte Welt.

(Dorothea Helmke, In Hain und Holz)

»Schneyder, Kripo Hannover. – Wie geht es Ihnen?«

Sophie hob die Augen, nahm die Gestalt des Mannes wahr: hager, farbloses dünnes Haar, Schnauzer.

Sie zuckte die Schultern.

Wie sollte es ihr gehen, nachdem sie ihren Gastgeber in der Küche gefunden hatte, den Schädel mit einem Fleischhammer zertrümmert, den einer von Kommissar Schneyders Kollegen soeben in einem transparenten Beweismittelbeutel verstaute?

Wie sollte es ihr gehen, nachdem ihre zweiundachtzigjährige Gastgeberin, die am Vorabend eine lebensbedrohliche Herzattacke erlitten hatte, spurlos verschwunden war und die Suche am hellen Vormittag noch immer ergebnislos verlief?

»Glauben Sie, wir können uns ein wenig unterhalten?«

Schneyder klang nicht unfreundlich. Er klang ganz genau so, wie Polizisten am Beginn einer Todesfallermittlung eigentlich immer klangen: vorsichtig. Tastend. Nur keinen Fehler machen, bevor nicht klar ist, in welchem Gemütszustand sich Angehörige und Zeugen befinden.

Sophie hatte dieses Spiel schon mehrfach miterlebt.

Als Journalistin.

Noch nie als Beteiligte.

Sie nickte.

»Würden Sie das bitte laut sagen?« Schneyder streckte ihr ein Diktiergerät entgegen.

»Einverstanden«, sagte Sophie.

Auf einen Schlag hatte sie eine unwiderstehliche Sehnsucht nach einer Tasse Kaffee. Mit Eierschalen.

»Sie heißen Sophie von Wiedenthal, einunddreißig Jahre, wohnhaft in Köln.« Schneyder sah auf ein Formblatt, auf dem einer seiner uniformierten Kollegen Sophies Personalien aufgenommen hatte. »Das ist richtig?«

»Richtig.«

»Ich habe Ihre Dokumentation über die S-Bahn-Surfer gesehen.«

»Ich arbeite nicht mehr für das Fernsehen.«

Schweigen.

Schneyder räusperte sich.

»Frau von Wiedenthal, waren Sie mit dem Toten verwandt oder verschwägert? In welchem Verhältnis standen Sie zu Wilhelm Helmke?«

»Ich war hier zu Besuch.« Sophie zögerte. »Bin zu Besuch. Ich bin mit Herrn Helmkes Tochter befreundet.« Sie fuhr sich über die Lippen. »Seinem Sohn.«

Schneyder hob die Augenbrauen. »Sie sind mit beiden Geschwistern befreundet?«

»Sohn.« Einen Kaffee. Ich brauche einen Kaffee!

Unvermittelt fing sie an zu weinen und konnte nicht mehr aufhören, auch als Schneyder das Gespräch mit einem gemurmelten »Dann danke erst einmal« beendet hatte.

Unsichtbar.

Ich bin unsichtbar.

Sophie saß auf dem Sofa im Esszimmer, mit geschlossenen Augen.

Die gedämpften Stimmen der Polizeibeamten waren weit fort, als die Bilder der Nacht zu ihr zurückkamen.

Sie hatte minutenlang in der Küche gestanden, allein mit dem Toten, hatte wie hypnotisiert auf Wilhelms graue Hirnmasse gestarrt, die aus dem faustgroßen Loch in seinem Schädel quoll.

Dann war Gino in den Raum gestürmt.

Sophie konnte sich nicht erinnern, dass sie geschrien hatte, doch so musste es gewesen sein.

Für Sekunden hatten sie Seite an Seite dort gestanden, dann hatte Gino in rasender Hast begonnen, das Haus zu durchsuchen. Ergebnislos.

Er hatte Rike aus der Wohnung geholt und das Mädchen zu Cousine Edeltraut gebracht. Die spitzmaushafte alte Dame besaß eines der wenigen Telefone im Ort. Von dort aus hatte er die Polizei alarmiert.

Der einzige Moment dieses grauenhaften Morgens, in dem ein klarer Gedanke durch die geisterhafte Trance gezuckt war, in die Sophie versunken war: Wenn schon nicht die Feuerwehr – zumindest die Polizei rufen sie.

Doch inzwischen war sie sich nicht mehr sicher, ob das tatsächlich ein Grund zur Erleichterung war.

Mit misstrauischen Mienen schlichen Kommissar Schneyders Beamte durch die Räume des Herrenhauses. Gestalten in semitransparenten Anzügen nahmen jeden Quadratzentimeter der Küche und des Flurs unter die Lupe.

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