Im Reich des Teufels by Harding Paul

Im Reich des Teufels by Harding Paul

Autor:Harding, Paul
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi-Thriller, Historisch, England
ISBN: 3-426-61894-X
Herausgeber: LBOOK
veröffentlicht: 1999-01-01T05:00:00+00:00


10

Die Dämmerung senkte sich auf Whitefriars hinab und hüllte den Bezirk in Dunkelheit. Um diese Zeit erwachten die Hauptstraßen und die mit Unrat bedeckten Gassen zum Leben. Diebsgesindel und Bettler schwärmten wie Ratten über einen Misthaufen aus und suchten nach Beute, nach den Unachtsamen, den Verletzlichen, bereit, beim leisesten Anzeichen von Schwäche übereinander herzufallen. Eine Gegend voll schlechter Häuser, schmaler Straßen und noch schlechteren Herzen. Mercurius kannte das alles.

Er war vor vielen Jahren hier gewesen und hatte sich vor dem Gesetz versteckt, und sein stolzer Gang, mit Dolch und Messer im Gürtel, war für jene, die in den Eingängen lauerten oder hinter zerbrochenen Fensterläden hervorlugten, abschreckend genug. Er betrat die »Zerlumpte Standarte«, ein großes, übel riechendes Wirtshaus, das nur einen Steinwurf vom Karmeliterkloster entfernt lag, dem das Viertel seinen Namen verdankte. Der Schankraum war von dünnen Fackeln, die einen ätzenden Gestank verbreiteten, schwach beleuchtet.

Mercurius zog die Maske tiefer ins Gesicht und prüfte nach, ob die Kapuze seinen Kopf ganz bedeckte. Er setzte sich ans Fenster und schaute hinaus in die zunehmende Dunkelheit. Der Wirt hatte den rührenden Versuch unternommen, einen Garten anzulegen, ein Fleckchen sonnenverbrannten Unkrauts, abgezäunt von staubigen, billigen Kräuterbeeten durch Schafschenkelknochen und verschiedene Tierschädel. Eine Schlampe kam zu ihm. Mercurius zog ein Silberstück hervor.

»Ale«, befahl er. »Ordentlich gezapft und der Humpen schön sauber!«

Er löste eine kleine Armbrust von seinem Gürtel und legte sie auf den Tisch. Die Schlampe eilte davon. Draußen im Hof vor den Ställen widersetzten sich zwei Hengste dem Stallburschen, bäumten sich wiehernd auf und schlugen aus. Ein paar Gäste kamen herbei, um sich den Spaß anzuschauen. Ein Mann schrie, er gehe jede Wette ein, dass der Stallbursche verletzt werde. Der Wirt, ein schmieriges Fass von einem Mann, schob sie zur Seite und ging mit einem brennenden Holzscheit in der Hand nach draußen, um die beiden Hengste auseinander zu bringen.

Mercurius machte es sich in der Ecke bequem. Mitten im Schankraum streckte sich ein Volltrunkener aus einer Truppe fahrenden Volkes auf dem Boden aus. Der Mann lag platt auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt, die Teufelsmaske klebte noch fest an der oberen Gesichtshälfte. Ein kleiner Junge hockte sich neben ihn und wischte den Speichel ab, der ihm aus dem offenen Mund troff. Auf der anderen Seite des Schankraums stritten sich die anderen Mitglieder der Truppe um die Einnahmen. Sie schwiegen kurz, als der Nachtwächter die Straße hinunterkam, mit seiner Glocke läutete und den Hausbesitzern zurief, vorsichtig zu sein: Feuer zu löschen und Kerzen zu sichern. Irgendjemand bot mit rauer Stimme eine frische Maid zum Verkauf an.

Nachdem sich das Geschrei im Hof gelegt hatte, gingen die Gäste wieder an ihre Plätze. Diebsgesindel teilte seine Einnahmen, berufsmäßige Bettler, in nasse Lumpen gekleidet, wischten Farbe und Salpeter ab, die sie benutzten, um Wunden vorzutäuschen. Mercurius wartete mit unstetem Blick, stets auf der Hut vor einem Sheriff oder einem Spion des Regenten. Er wusste nicht, ob den Engländern bekannt war, dass er sich in London aufhielt‚ doch er konnte kein Risiko eingehen. Die Sache in Hawkmere lief gut, dennoch war er nicht verantwortlich.



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