Im Namen des Onkels by Stefano Piedimonte

Im Namen des Onkels by Stefano Piedimonte

Autor:Stefano Piedimonte [Piedimonte, Stefano]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
ISBN: 9783832187835
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 2014-08-04T22:00:00+00:00


Viele, viele bunte Smarties

Der Nihilist kratzte sich am Hintern. Alle anderen saßen mit weit aufgerissenen Augen da, von Angst überwältigte Marionetten in einem teuflischen Spiel: Der eine fasste sich ans Ohr, der andere ins Haar, wieder einer an den Bart. Der Nihilist fasste sich an den Hintern, genauer gesagt, er kratzte sich am Hintern. Die rechte Hand hatte er in der Hose versenkt und bewegte sie mit unmissverständlicher Geste auf und ab. Zur besten Sendezeit richteten sich die Kameras von Canale 5 vor den Augen von Millionen Zuschauern jetzt auf das Big Brother-Haus und auf ihn, der sich am Hintern kratzte.

Gemma Salieris Begrüßung hatte die Gespräche unterbrochen. Alle hatten sich in Positur gebracht – alle bis auf den Nihilisten, der nach wie vor auf seinem Einzelsessel lümmelte.

»Seid ihr schon Freundeee?«, schrillte Gemmas Stimme wie Feueralarm durchs Haus. »Wer antwortet miiir?« Sie hatte die Angewohnheit, die letzten Silben so in die Länge zu ziehen, dass ihre Stimme tatsächlich wie eine Sirene klang.

Miss Elegance krönte sich selbst zur Gruppensprecherin. »Ja, Gemma, alle sind hier voll nett!«, kreischte sie begeistert. Die Zuschauer im Studio verzogen kollektiv das Gesicht vor Schmerz, wahrscheinlich würden ihnen von diesem Schrei die Ohren noch mindestens eine halbe Stunde wehtun.

»Francesca, du musst nicht so schreien«, brüllte die Moderatorin, »du bist auf Sendung, wir hören dich ganz guuut.«

Miss Elegance lachte ein ordinäres Lachen, kein Mensch verstand, warum.

Anthony schaute sich um, weil er wissen wollte, was man jetzt tun sollte oder besser nicht. Ihm war nicht bewusst, dass er es war, der sich von den Teilnehmern am besten darauf vorbereitet hatte, wie er sich im BB-Haus darstellen musste. Seine Schüchternheit und sein Minderwertigkeitsgefühl, weil er ja bloß ein süditalienisches Landei war und noch dazu diese gestutzten Möwenbrauen hatte, hinderten ihn jedoch daran, seine Rolle richtig zu spielen.

Die Moderatorin wandte sich mit den letzten belanglosen Fragen an einige der Kandidaten und ließ sie sich dann frei vor den Augen des Publikums produzieren. Die Bewohner des Hauses waren Affen, die sich, zufrieden mit ihrer Käfighaltung, vor einem Heer von Familien zur Schau stellten, um von diesen, statt mit Bananen und frischem Obst gefüttert, per Telefon gevotet zu werden. Der Nihilist spielte die Rolle des Affen bisher am überzeugendsten. Die Kamera zeigte ihn in Großaufnahme, während er die Hand aus der Hose zog, aber der Regisseur hatte immerhin so viel Mitleid mit ihm, dass er ihn nicht auch dann noch filmte, als er sich mit derselben Hand durchs Haar fuhr.

Es war nur ein Augenblick, eine flüchtige Begegnung zwischen Zufall und sechstem Sinn, als Anthony geradewegs einer der vielen Kameras über dem Wohnzimmer ins Auge blickte und die auf ihn zoomte. Die Zuschauer zu Hause hatten den Eindruck, dass dieser junge Mann mit dem verbrutzelten Gesicht ihnen mitten in ihr eigenes Wohnzimmer starrte.

Auch der Onkel hatte diesen Eindruck. Der Grund, warum er sich an seinem Spumante verschluckte, war jedoch ein anderer und hatte auch wenig mit der minderen Qualität des Getränks zu tun. Diesen Kerl hatte er schon einmal gesehen, da war er sich fast sicher.



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