Im Blut vereint by Pamela Callow

Im Blut vereint by Pamela Callow

Autor:Pamela Callow
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-02-07T05:00:00+00:00


28

Donnerstag, 10. Mai, 2:45 Uhr

Er fuhr im Rückwärtsgang die Bootsrampe hinab, bis das Heck des Wagens nur noch eineinhalb Meter vom Wasser entfernt war. Der Northwest Arm lag schwarz und ruhig da. Kein Mondlicht streifte seine Ufer.

Er öffnete die Tür und hielt dann inne. Vor seinen Augen schwirrten weiße Lichtpunkte. Gleich darauf zogen sie sich wie gewohnt an den Rand seines Gesichtsfelds zurück. Wohin er auch schaute, alles war von pulsierenden Punkten umrahmt. Er blinzelte und massierte sich die Schläfen.

Warum war er hier?

Das Weiß verschwand. Er atmete tief aus und öffnete die Augen. Sein Blick fiel auf das Armaturenbrett. Die Uhr zeigte in gespenstisch fluoreszierendem Grün 2:45 Uhr an.

Als die junge Frau sich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte, war es 23:38 Uhr gewesen. Um 23:59 Uhr war das Flehen in ihrem Blick erstorben.

Jetzt wusste er, weshalb er hier war.

Er blickte sich um. Diese Gegend war so schön. Manchmal ging er hier spazieren und suchte sich dabei in Gedanken ein Wohnhaus aus. Ab und zu saß er sogar auf dem Kai neben der Bootsrampe und blickte über das Wasser hinüber zum Armdale Yacht Club. Die Boote waren so makellos, so elegant, wunderbare Werkzeuge, die der Schnelligkeit und Präzision dienten.

In diesem Jahr hätte er seine Facharztausbildung abschließen sollen. Mit dem Gehalt eines frischgebackenen Chirurgen hätte er sich eines dieser vornehmen Häuser am Ufer des Northwest Arm leisten können. Stattdessen rackerte er sich für Dr. K ab.

Das kränkte ihn. Er war ein Star unter den Medizinstudenten gewesen. Ein Star. Er hatte sich einen der begehrtesten Assistentenposten für angehende Chirurgen gesichert.

Er hatte bewiesen, dass seine Mutter sich irrte.

Und dann hatte man ihm das alles kaputt gemacht. Er hatte gegen die Entscheidung des Ausschusses Widerspruch einlegen wollen, aber sein Betreuer hatte ihn gewarnt, dass man ihn dann ganz fertigmachen würde; er solle Fentanyl aus dem Vorratsraum gestohlen haben. Und dann, so erinnerte ihn der Betreuer leise, gebe es da noch die Sache mit der OP-Schwester, die er belästigt habe. Und den kleinen Zwischenfall mit dem geistig behinderten Patienten … und mit dem Betrunkenen … Sein Betreuer hatte den Kopf geschüttelt. »Es wäre Zeitverschwendung.« Was er meinte, war: »Machen Sie, dass Sie wegkommen. Und zwar auf Nimmerwiedersehen!«

Seine Mutter hatte ihn ausgelacht, als sie davon erfuhr. »Ich hab’s ja immer gesagt. Du bist ein dreckiger kleiner Nichtsnutz. Ich wette, du konntest die ganzen langen Wörter nicht aussprechen, ohne dich zu verhaspeln.«

Da hatte er das erste Mädchen aufgegriffen.

Danach hatte der Drang eine Weile nachgelassen. Bis er angefangen hatte, für Dr. K zu arbeiten, und neue Aufgaben übernahm. Da kehrte der Drang zurück. Wuchs und wuchs, bis er nicht mehr dagegen ankam. Aber der Drang hatte ihn nicht überwältigt, sondern ihn gestärkt. Er bedeutete Macht. Herrschaft.

Eilig umrundete er den Wagen und öffnete den Kofferraum. Dort lag sie. Sie war jung, und als sie noch lebte, war sie auch einigermaßen schön gewesen, jedenfalls wenn man den Typ mochte. Für seinen Geschmack hatte sie zu viel Make-up getragen. Jetzt, wo ihre weißen Knochen und ihr rosafarbenes Fleisch freilagen, war sie um so vieles schöner.



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