Ich, Jonas, genannt Pille, und die Sache mit der Liebe by Brigitte Werner

Ich, Jonas, genannt Pille, und die Sache mit der Liebe by Brigitte Werner

Autor:Brigitte Werner [Werner, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Freies Geistesleben
veröffentlicht: 2011-10-21T22:00:00+00:00


Kapitel27

Eine Frage von meiner Liste haben wir gerade erledigt, und Opa Leo hat recht. Da waren schon ein paar andere Antworten mit drin, über die Liebe und das Herz und über das, was man alles falsch machen kann, wenn man einen anderen nur durch eine klitzekleine Brille beguckt. Aber meine allerwichtigste Frage, die brennt richtig, die ist heiß und brodelnd und will endlich erlöst werden. Die kocht schon so lange in mir rum, dass sie richtig verklumpt ist, zusammengeschmurgelt auf die Größe eines Brühwürfels, brennend salzig und scharf. Was machen wir mit Papa? Damit er sich nicht mehr so schämt und damit er darauf vertraut, dass wir ihn lieb haben und dass wir zusammenhalten? Immer, egal, was passiert. Und damit er endlich die Kurve kriegt und zurückkommt?

Opa Leo sieht ziemlich erschöpft aus, und ich weiß nicht, ob ich jetzt fragen soll. Aber morgen kommt Tante Berta mit Onkel Fredi, und übermorgen kommt Lilli, auch mir rennt die Zeit davon. Aber Papa ist die wichtigste Frage, die ich habe.

«Opa Leo», frage ich vorsichtig. «Ist alles okay?»

Er hat die Augen geschlossen und sich zurückgelehnt. Er ist weit weg. Und er ist ganz nah. Ich spüre ihn irgendwie um mich herum. Als hätte er gerade unendlich viele Arme und ich wäre mittendrin. Ich kann sie alle warm und fest spüren. Ich lehne mich jetzt auch zurück und mache meine Augen zu, ich fühle mich richtig eingehüllt von etwas Warmem, Hellem. Und dann sehe ich Oma Lucie. Sie hält Opa Leo im Arm, und ich bin zwischen ihnen, wie eine Salamischeibe in einem Butterbrot. Und falls sich Salamischeiben dabei jemals so fühlen sollten wie ich gerade, dann sind sie wohl eine ziemlich glückliche Wurst. Ich spüre Oma Lucies warmen, weichen Bauch hinter mir und ihre kleinen, runden Arme an der Seite und Opa Leos knochige Brust und seine langen Arme vorne um mich rum, und auf einmal bin ich nicht mehr auf dem Balkon der Villa, sondern treibe irgendwo zwischen Himmel und Erde und habe das Gefühl, zu schwimmen und zu fliegen und zu segeln, und das alles gleichzeitig. Ich will nicht mehr denken, sondern nur so sein, einfach so sein.

Irgendwann höre ich Markus unter mir rufen, und ich falle in meinen Stuhl zurück, und Opa Leo sitzt dicht vor mir und schaut mich nachdenklich an.

Jetzt fragt er: «Pille, ist alles okay?»

Und ich nicke und versuche ihm zu erklären, was gerade passiert ist.

Opa Leo sagt: «Ja, sie war da. Wir haben dich umarmt. Und jetzt werden wir den Plan für deinen Papa machen. Das gerade war sozusagen eine kleine Vorübung. Und wie immer hat Oma Lucie gewusst, wie es geht und dass es klappt. Sie ist schon eine ziemlich besondere, erstaunliche, hartnäckige Person.»

«Eine Geistperson», sage ich, «weil so richtig ist Oma Lucie ja nicht hier, ich meine, so wie damals, als sie noch komplett auf der Erde war. Jetzt ist sie meistens himmlisch oder durchsichtig oder luftig, so wie ein Nebelschleier oder eine Schäfchenwolke …»

Opa Leo hat auch kein Wort dafür, das es ganz genau trifft.



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