Ich, Conchita: Meine Geschichte. We are unstoppable (German Edition) by Conchita Wurst

Autor:Conchita Wurst [Wurst, Conchita]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Langen-Müller
veröffentlicht: 2015-03-03T16:00:00+00:00

Paris, o la la

There’s no business like show business

Aus dem Musical »Annie Get Your Gun«

Es hatte sich also schon beim Life Ball abgezeichnet, dass sich zwischen Jean Paul und mir eine Freundschaft entwickeln sollte. Schon bald lud er mich ein, bei seiner Haute-Couture-Fashionshow mitzuwirken. Dort bekam ich eine Sedcard wie alle anderen Models, auf der Körpermaße und Schuhgröße festgehalten werden. Natürlich ist mir die Welt der Mode nicht fremd, trotzdem war ich aufgeregt wie selten zuvor. Models, die für große Designermarken laufen, sind Profis, wohingegen ich kaum Erfahrung auf dem Laufsteg mitbrachte. Alleine, dass wir es uns in der westlichen Welt angewöhnt haben, zuerst mit den Hacken und dann mit den Ballen aufzutreten, gibt unserem Gang etwas Plumpes. In asiatischen Ländern ist das oft anders, da tritt man weich mit dem Ballen auf, bevor sich das Gewicht auf die Hacken verlagert. Ein ungewohntes Gefühl, dabei schont es den Rücken. Mit diesem Gang schweben Models geradezu über den Catwalk, doch auch das birgt so manche Gefahren, wie ich an diesem Tag noch erleben sollte.

Jean Paul ist einer der wenigen Designer, der seine Mode im eigenen Haus zeigt, in der Tradition der früheren Chanel-Shows. Im Erdgeschoss befinden sich die Maske und der Umkleideraum, in dem es zugeht wie in einer U-Bahn-Station zur Hauptverkehrszeit, einen Stock darüber ist der Saal, in dem die Modenschau stattfindet. Dort hatten sich schon die Gäste eingefunden, während die Models im Treppenhaus aufgereiht wurden. Ich trug ein opulentes Kleid, weswegen mich ein nervöser Inspizient an allen vorbeiführte und in einer Nische im Mauerwerk parkte.

»Ich ruf dich auf«, sagte er noch, dann war er auch schon wieder verschwunden. Kurz darauf betrat das erste Model den Laufsteg, und ein paar Sekunden später hörte ich den Inspizienten rufen: »Oh mein Gott, sie ist gefallen!« Mir fuhr der Schreck durch die Glieder, zum einen, weil ich an das arme Model dachte, zum anderen, weil mir klar wurde, wenn ein Profi fällt, kann mir das erst recht blühen. In diesem Augenblick hörte ich den zweiten Schrei: »Sie ist schon wieder gefallen.« Jetzt war ich wirklich nervös! Es gab aber keine Möglichkeit, mich unauffällig aus dem Staub zu machen. Vor mir zogen wie Perlen an der Schnur die Models vorbei, während die, die ihren Auftritt hinter sich hatten, wie von der Tarantel gebissen die Treppe hinabstürzten, um ins nächste Outfit zu steigen. Wer glaubt, Modeling ist ein leichter Beruf, den muss ich enttäuschen. Mittlerweile weiß ich, wie schwer der Job ist, denn in diesen Augenblicken höchster Anspannung wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen. Bricht sich eines der Mädchen beim Rennen den Zeh, wird sie die Zähne zusammenbeißen und ein paar Minuten später wieder lächelnd auf dem Catwalk sein, als sei nichts passiert. Wenn es um ihren Beruf geht, sind sie tough, und das gefiel mir. Wenig später machte die Neuigkeit die Runde, dass es einen dritten Fall gegeben hatte. Dieses Mal dachte ich nicht mehr an Flucht, sondern nur noch daran, meine Sache gut zu machen. Später stellte sich heraus, dass die Spiegelfolie, mit der man den Laufsteg überzogen hatte, an einer Stelle nicht straff genug verlegt worden war.

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