Ich war Zwangsarbeiterin bei Salamander by Vera Friedländer

Ich war Zwangsarbeiterin bei Salamander by Vera Friedländer

Autor:Vera Friedländer [Friedländer, Vera]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Das Neue Berlin
veröffentlicht: 2016-07-27T22:00:00+00:00


Der Generaldirektor und andere

Wer waren die Leute mit den »schützenden Händen«? Es waren alles Männer, keine Frauen. Hochgelobt von Hanspeter Sturm: der Generaldirektor Dr. Alex Haffner. Dieser Mann hatte gewiss Qualitäten als Chef des Unternehmens. Er richtete die Salamander AG 1933 auf eine neue Strategie aus, er führte sie durch Krisenjahre, durch Zeiten der Kontingentierung des Rohstoffs, durch den kriegsbedingten Produktionsrückgang. Und er hatte Erfolg. Auch in der von Sturm redigierten Schrift »1200 Jahre Kornwestheim« wird Haffners Verdienst gewürdigt: Er habe den Aufbau des Konzerns »entscheidend geprägt«. (KWH S. 22)

Sturm schreibt mit Bezug auf die ausgeschiedenen leitenden Mitarbeiter: »Die Vorstandschaft des Werkes blieb gegenüber den jüdischen Mitarbeitern in der Unterstützungsfunktion aktiv bis 1939 kurz vor dem Kriegsbeginn tätig.« (schH) Auch das ein Verdienst des Generaldirektors. Im Kornwestheimer Rathaus soll auch der Bürgermeister Alfred Kercher eine Schutzhaltung eingenommen haben, er habe »keine aktive Judenverfolgung« betrieben. Es habe durch Kercher und seine engsten Mitarbeiter »eine selten im Dritten Reich beobachtete Toleranz« gegeben. (schH)

Sturm geht, was Haffner betrifft, noch einen Schritt weiter. Er sei ein Hitler-Gegner gewesen. Er habe »äußerst geschickt geheim gehaltene Kontakte« zur Bosch-Gruppe in Stuttgart, später zum Goerdeler-Kreis und zu Hjalmar Schacht unterhalten (schH). Das geht vornehmlich aus Haffners eigenen Aufzeichnungen hervor (FAZ 1966).

Ich gehe davon aus, dass solche Kontakte bestanden, und verfolge den von Sturm verbreiteten Gedanken, dass Haffner ein Gegner Hitlers gewesen sei. Ein Gegner des herrschenden Systems war Haffner bestimmt nicht.

Eine Gegnerschaft kann sehr unterschiedlich begründet gewesen sein. Es gab Leute in Baden-Württemberg, unter anderem Eisenbahner, die das faschistische System, nicht Hitler, den Mann an der Spitze dieses Systems, beseitigen wollten. Das war gewiss nicht Haffners Anliegen, denn er und der von ihm geleitete Konzern waren Nutznießer dieses Systems.

Eine gewisse Übereinstimmung mit der Bosch-Gruppe in Stuttgart ist vorstellbar. Den Widerstand gegen den Nazi-Staat unterstützte Robert Bosch, einst Sozialdemokrat. Er soll Menschen, denen KZ-Haft drohte, gerettet haben, und er unterhielt Verbindungen zum Goerdeler-Kreis. Gleichzeitig leitete er ein Unternehmen, das Rüstungsaufgaben übernahm. Die Bosch-Tochterfirma südlich von Berlin produzierte Teile für Flugzeugmotoren. Auf dem dortigen Fabrikgelände befand sich das Außenlager Kleinmachnow des KZs Sachsenhausen. 2700 Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Häftlinge und etwa 800 während des Warschauer Aufstands verhaftete Polen arbeiteten hier für Bosch. Der Widerstand Robert Boschs ist schwer zu begreifen. Es ging ihm wohl nicht um den Staat, eher um Probleme der Führung dieses Staates. Wie dem Goerdeler-Kreis mag der Bosch-Gruppe die Kriegsstrategie Hitlers missfallen haben, denn sie würde zu einer vormundschaftlichen Besatzung führen, was nach Stalingrad vorauszusehen war.

Carl Friedrich Goerdeler war an der Planung des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt und als neuer Reichskanzler vorgesehen. Das Ziel des Widerstands jenes Kreises bestand darin, Hitler zu stürzen und den mit Hitler nicht gewinnbaren Krieg zu beenden. Goerdeler hatte zu diesem Zweck mit Großbritannien, den USA und anderen Staaten Verbindungen geknüpft. Mit der UdSSR Frieden zu schließen kam für Goerdeler nicht infrage. Bei einem Friedensschluss mit den westlichen Alliierten sollte kein Gebietsgewinn aufgegeben werden, Elsaß-Lothringen und Nordschleswig sollten hinzukommen und Österreich und das Sudetenland in dem neuen Reich der Nachkriegszeit bleiben.



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