Ich schnapp' mir einen Mann by Eva Völler

Ich schnapp' mir einen Mann by Eva Völler

Autor:Eva Völler [Völler, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-05-26T00:00:00+00:00


Es war schon nach zehn Uhr, als endlich die Lichtkegel von Scheinwerfern die Dunkelheit des Waldwegs zerschnitten. Das Zuknallen einer Autotür und das lehmig nasse Schmatzen näher kommender Schritte zeigte an, dass ihr Warten beendet war. Anton stieg aus, um draußen, mit wem und weswegen auch immer, ›das Geschäftliche zu regeln‹. Nach einem in aller Eile geführten Telefonat hatte Anton Flora wortkarg mitgeteilt, dass er später am Abend einen ›Interessenten‹ treffen wolle. Für dieses eine Telefonat hatte er an ungefähr acht Telefonzellen gehalten, bis er sich endlich für eine entscheiden konnte. (Möglicherweise, so mutmaßte Flora, hatte aber auch die Telefonkarte, die sie ihm schweigend angeboten hatte, zum Ende der Suche beigetragen.)

Nach Antons Anruf waren sie scheinbar planlos durch die Gegend gefahren, bis sie vor ungefähr zwei Stunden hier auf diesem einsamen Waldweg gelandet waren. Seitdem blätterte er in den drei Akten, die er sich abwechselnd vom Rücksitz holte, wobei er von Zeit zu Zeit ein gequältes Stöhnen ausstieß und verzweifelte, aber unverständliche Bemerkungen über Fristen, Kosten und Beweisprobleme in seinen dunkler werdenden Bartschatten murmelte.

Flora ließ ihn in Ruhe. Ihr war ohnehin nicht danach, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Es hatte aufgehört zu regnen, aber die Luft im Wagen war immer noch feucht, und ihr Kleid fühlte sich klebrig und klamm an. Doch Flora fand, es sei sinnlos, über ihre Lage nachzudenken. Zu ändern war daran im Moment sowieso nichts. Diese wunderbar pragmatische Einstellung rührte nicht zuletzt von dem fantastischen Drive her, den ihre Geschichte vor Stunden bekommen hatte. Flora tippte wie besessen. Ihrer Kreativität schienen keine Grenzen gesetzt, und sie war wild entschlossen, jede Minute dieser Phase auszunutzen; wenn erst das Baby da war, würde sie vermutlich nicht mehr viel Zeit zum Schreiben haben.

Gedanken an das Baby brachten zwar unvermeidlich die Assoziation Bankraub-Frauenknast-Knastbaby mit sich (teilweise war diese Anwandlung so intensiv, dass sie das Baby sogar im Knaststreifenstrampler vor sich sah), doch Flora verdrängte jedesmal die aufkommende Panik mit geradezu obsessivem Eifer. Sie ließ alle Gefühle in ihre Zeilen fließen und spürte dabei, dass sie so gut war wie noch nie. Daran vermochten sogar die Radionachrichten nichts zu ändern.

Sie folgte der Stimme des Sprechers nur mit halbem Ohr. »… gelang es den flüchtigen Verdächtigen am frühen Abend, trotz hohen Polizeiaufgebots erneut zu entkommen. Die Lebensgefährtin des mutmaßlichen Bankräubers, die Schauspielerin Tamara Berger, sagte gegenüber den Ermittlungsbehörden aus, dass die hochschwangere Flora Zimmermann freiwillig mit dem Tatverdächtigen unterwegs sei. Damit bestätigt sich eine Aussage Zimmermanns anlässlich eines Presseinterviews während ihrer Flucht, der zufolge sie mit dem Tatverdächtigen Dr. Anton Winkler den Raub in einer spontanen Aktion gemeinsam begangen habe …«

Sieh mal an, dachte Flora, während das Gedudel des Verkehrsfunks einsetzte. Schauspielerin war diese Wonderbra-Schlange also. Das hätte sie sich denken können, so wie die sich produziert hatte! Wahrscheinlich übte sie dieses So-tun-als-ob seit Jahren, es war ihr schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie sich gar nicht mehr normal verhalten konnte, selbst wenn sie gewollt hätte.

Flora drehte das Radio aus und las stumm, was sie zuletzt geschrieben hatte.

Ihr war kalt, und sie hatte Hunger.



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