Ich knittere nicht, ich lache nur by Letocha Thomas

Ich knittere nicht, ich lache nur by Letocha Thomas

Autor:Letocha, Thomas
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Goldmann TB
veröffentlicht: 2016-05-12T13:37:04+00:00


Einundzwanzig

Als es weiter abkühlte und die Sterne schon am dunklen Himmel über uns funkelten, räumte Belmondo alles auf und verstaute es im Rolls-Royce. Die herrschaftliche Limousine als Picknick-Wagen. Er verbot mir, ihm irgendwie zu helfen. Es gelang ihm sogar, das Rad unterzubringen. Ich nutzte die Zeit und wollte Rudolf auf seinem Handy erreichen. Aber da kam ich nur an die Mailbox.

Den Weg von unserem idyllischen Ausflug in der Natur zurück in die Stadt verbrachten wir stumm nebeneinandersitzend. Nur Kyra hörte man leise schnarchen. Ob sie vom kulinarischen Füllhorn träumte?

Aus dem Autoradio tönte eine CD, die Belmondo eingelegt hatte. Musik aus den 1930er-Jahren, alte Schlager. Glauben Sie nicht, dass ich nur auf alten Krempel stehe. Alt bin ich selber, da muss nicht alles um mich herum angejahrt sein. Aber es waren herrliche Melodien, toll gesungen. Und vor allem – auch wenn die Musik nun digital von der CD kam – hatte man den Aufnahmen das Originale bewahrt: das Kratzen, das Knistern. Je perfekter etwas wird, desto unmenschlicher wird es auch.

Ich liebte Musik. Schon als kleines Mädchen habe ich mich heimlich in die Kirche unseres Orts gestohlen, um dem Organisten beim Üben zuzuhören. Dabei muss man wissen, dass der gute Mann natürlich als Begleiter der Kirchengemeinde unzählige Kirchenlieder spielen konnte, aber seine Passion galt dem Jazz, wie etwa den Kompositionen von Duke Ellington oder Louis Armstrong. Und deren Lieder interpretierte er auf seine ganz eigene Weise auf der Orgel. Ich war so hin und weg, dass ich oft vergaß, wie spät es war, und deswegen zu spät nach Hause kam. Ich glaube, meine Mutter hatte eine Ahnung von meinem »Hobby«. Mehr als einmal fiel ihr Tadel über meine Verspätung mit einem Lächeln aus. Meine Mutter konnte zwar kein Instrument spielen, aber sie hatte eine klare und helle Stimme. Sie liebte es zu singen, nur für sich. Öffentlich aufgetreten ist sie nie.

Als die Limousine langsam von dem Dünenweg auf die Nebenstraße rollte, musste ich an meine Mutter denken. Und weil ich an ihren so herrlichen Gesang dachte, dachte ich auch an Rudolf. Und wie es klang, wenn er seine Stimme erhob. Wie schauderhaft. Ich vermisste ihn. Ich wollte meine aufkommende Traurigkeit bekämpfen und klopfte mit den Fingern zu der Musik von der CD gegen die Ablage.

Belmondo, der sich auf das Fahren konzentriert hatte oder jedenfalls so tat als ob, blickte zu mir. »Gefällt dir die Musik, Else?«

»Oh ja, ich kenne das Lied. Ich habe diese Melodie schon immer geliebt.«

»Du hast sicherlich eine zauberhafte Stimme.«

»Oh nein. Die willst du nicht gehört haben.«

»Doch. Das will ich – genau jetzt.«

Ich lachte und schüttelte den Kopf. Er summte die Melodie mit und wollte mich so ermuntern einzustimmen. Doch das kam für mich nicht infrage.

»Lass es, mein Lieber.« Oh, das war das erste Mal, dass ich »Mein Lieber« zu ihm gesagt habe. »Ich weiß, was ich kann und was nicht.«

»Dann lass mal hören.«

»Ich habe gesagt, dass ich nicht singen kann.«

»Nein, nein, du hast mich falsch verstanden. Ich meinte, was kannst du denn?«

Ich zögerte, wich seinem Blick aus und lächelte für eine Sekunde in mich hinein.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.