Ich bin zu alt für diesen Scheiß by Julia MacDonnell

Autor:Julia MacDonnell
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2014-11-06T16:00:00+00:00

19. Zing Went the Strings of my Heart

Ich danke Gott für Duffy, die Sendung Familien-Duell und den Schmorbraten. Duffy kommt gegen sechs Uhr abends, genau rechtzeitig, denn ich werde der einmal geöffneten Schleusen nicht mehr Herr. Ich weine und bekomme Schluckauf und heule weiter. Ich. Mimi mit ihrem Herz aus Stein. Heult sich die Augen aus. Ihre Tränendrüsen haben wie die Leitung im Badezimmer ein Leck bekommen. Bevor er klingelt, versuche ich mein Gesicht herzurichten, aber die verräterischen Zeichen sind da. Rote Nase. Geschwollene Augen.

»Was ist denn los, Mrs Malloy?« Er legt seine warme Hand auf meine Schulter. Er trägt eine graue Hose und dazu ein hellblaues Hemd mit einer marineblauen Strickjacke. Sein silbernes Haar ist ordentlich zurückgekämmt und er duftet nach Aftershave.

»Bitte kein Mitleid«, sage ich. »Sonst breche ich wieder zusammen.«

»Das liegt an dem schlimmen Wetter. Da kriegt jeder den Blues.«

»Vielleicht ist es das«, sage ich, wohl wissend, dass dem nicht so ist. »Ich musste den ganzen Tag lang auf Erinnerungsreise gehen. Ein großer Fehler.«

Er nickt, sagt aber nichts dazu. Ich kann darüber reden oder auch nicht, dieses Gefühl vermittelt er mir. Ich entscheide mich dagegen. Für heute habe ich genug. Ich mixe uns beiden einen Manhattan ohne Eis, den wir auf der Couch trinken, während wir uns den Wetterbericht ansehen.

»Da wird Ihnen warm ums Herz werden«, sagt er und zündet sich eine Zigarette an.

»Mit Sicherheit.« Ich lehne mich in die Kissen zurück und lasse mir von ihm Feuer geben. Und sofort kommen meine Nerven zur Ruhe.

»Gut, dass wir draußen am Boot waren«, sagt er, während wir den Berichten von den Schäden entlang der gesamten Küste lauschen. »Scheinbar habe ich eine Intuition gehabt. Hätte ich die Plane nicht festgezurrt …«

»Sie ist wunderschön, Duffy, Ihre Miss Nomer. Hat Klasse.«

»Ein paarmal hätte ich sie beinahe verloren«, sagt er und blickt dabei in den Fernseher und nicht auf mich. »Habe sie als Sicherheit eingesetzt und fast verloren. Aber dann habe ich ein Machtwort gesprochen, denn mir wurde klar, dass ich ohne sie nicht leben kann.«

Ich erröte und hoffe, dass er es nicht sieht. Weil ich mir nämlich ganz plötzlich und sehr stark wünsche, Duffy würde über mich sprechen. Aber nein, er hat seine Augen auf den Bildschirm gerichtet, auf die Karten, die den Weg beschreiben, den der Sturm in Richtung Osten zum Küstenstreifen von Massachusetts nimmt. Sie sehen fast so aus wie die Karten, die der Radiologe vom Inneren meines Schädels gemacht hat, bis auf die schwarzen Flecke.

»Man sieht ihr das Alter nicht an«, sage ich.

»Nein«, sagt er, schielt auf mich und dann wieder auf den Fernseher, »sie ist nur noch schöner geworden.«

Verlegenheit und Verlangen treffen in mir aufeinander, und meine sonst so zuverlässige spitze Zunge lässt mich im Stich. Mir fällt keine Bemerkung dazu ein.

»Wissen Sie, Mrs Malloy, man kann viel verlieren, aber dann reicht es und man muss einen Schlussstrich setzen. Man kann einfach nicht noch mehr verlieren.« Sein trauriger Ton entreißt mich dem nächsten Zusammenbruch. Verlust und Traurigkeit, damit kann ich umgehen. Darin bin ich Expertin.

»Ich weiß genau, was Sie meinen.

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