Ich bin verliebt in deine Stimme by Heinz G. Konsalik
Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00
7
Nicht nach Lachen war an diesem Tag einem Mann zumute, der schwer zu büßen hatte für seine Ausschweifungen am Abend und in der Nacht zuvor. Der Schädel wollte ihm fast zerspringen. In dem schönen Zimmer, das er als Junggeselle und sogenannter ›Zimmerherr‹ einer höheren Beamtenwitwe, die Vermieten eigentlich gar nicht nötig hatte, lag er bis in den hellen Tag hinein nahezu regungslos auf seiner Bettcouch und starrte zur Decke empor. Die geringste Bewegung verursachte ihm Schwindelgefühle und Schmerzen. Der Herd saß, wie gesät, im Kopf.
»Nie wieder!« schwor er laut in die Stille seines Zimmers hinein.
Es war gegen Mittag. Kurz darauf klopfte jemand an die Tür.
»Ja«, sagte der Mann zu leise, um draußen gehört zu werden.
Das Klopfen wiederholte sich. Etwas lauter, krächzender rief er: »Ja!«
Frau Wohlrabe, die Wohnungsinhaberin, kam auf leisen Sohlen ins Zimmer geschlichen. Daß leise Sohlen angebracht waren, wußte sie aus Erfahrung.
»Herr Mann«, sagte sie, »ich sehe schon, ich muß heute wieder dafür sorgen, daß Sie etwas in den Magen kriegen. Was möchten Sie essen?«
»Guten Morgen«, antwortete er. »Nichts.«
»Guten Tag«, gab sie ihrem Tadel Ausdruck. »Ich bringe Ihnen eine Bouillon mit Ei.«
»Danke, nein.«
»Oder einen Hering?« Das änderte seine ablehnende Haltung.
»Ja, bitte, Frau Wohlrabe.«
Sie blieb noch ein bißchen und schaute sich kopfschüttelnd um.
»Aussehen tut's hier!« seufzte sie. Obwohl die Verwüstung, die sich vor ihr ausbreitete – durcheinandergeworfene Kleidungsstücke, volle Aschenbecher usw. –, erst jüngsten Datums war, sagte ihr Untermieter: »Frau Wohlrabe, Sie wissen doch, wie lange mich meine Zugehfrau bereits im Stich läßt.«
»Oft genug habe ich Ihnen schon gesagt, daß das überhaupt lächerlich ist mit der. Was brauchen Sie eine Zugehfrau? Als wenn das nicht ich erledigen könnte.«
»Und oft genug habe ich Ihnen schon geantwortet: Nein! Ich möchte das nicht, Frau Wohlrabe.«
»Ich weiß, Sie finden das unter meiner Würde. Sie sind nicht ganz bei Trost.«
Berta Wohlrabe war eine richtige Berlinerin, mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Ihren Untermieter mochte sie durchaus. Sie hatte ihm das Zimmer vermietet, weil sie gern ein bißchen Leben um sich hatte. Daß er ihr sympathisch war, enthob sie vor ihrem eigenen Gewissen freilich nicht der Pflicht, mit ihm in einem ständigen Kleinkrieg zu leben. Sein Lebenswandel war es, mit dem sie sich nicht einverstanden erklären konnte.
»Wo waren Sie denn wieder die ganze Nacht?« fragte sie ihn.
Er seufzte.
»Berufliche Pflichten, Frau Wohlrabe.«
»Indem Sie sich zu Tode trinken?«
»Ich gebe zu, vielleicht ein Glas zuviel getrunken zu haben.«
»Ein Glas!« rief die Witwe, vor Entrüstung bebend.
»Aber der Anlaß«, fuhr er fort, »rechtfertigt das Ganze.«
»So? Welcher Anlaß?«
»Ich lernte einen Oberkellner kennen, dessen zwei Söhne in der Jugendmannschaft von Hertha BSC spielen.«
»Nicht auszudenken«, erklärte die Witwe schlagfertig, »was passiert wäre, wenn er drei fußballspielende Söhne gehabt hätte.« Sie wandte sich zur Tür. »Ich bringe Ihnen jetzt Ihren Hering.«
»Zwei, bitte.«
»Gut, drei.«
Das Telefon im Zimmer läutete. Mann hatte von Berufs wegen einen eigenen Anschluß. Frau Wohlrabe war, die Hand auf der Türklinke, stehengeblieben. Das schrille Klingeln ging ihrem Untermieter durch und durch. Er hielt sich die Ohren zu.
»Nehmen Sie ab«, bat er die Witwe. »Sagen Sie, ich sei nicht da.«
Das wäre aber nach Meinung von Frau Wohlrabe falsch gewesen.
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