Iacobus by Matilde Asensi

Iacobus by Matilde Asensi

Autor:Matilde Asensi [Asensi, Matilde]
Die sprache: spa
Format: epub
ISBN: 9783423207669
Herausgeber: Planeta
veröffentlicht: 1997-12-31T23:00:00+00:00


Quatuor vi sunt que ad Sanctum Jacobum tendentes, in unum al Pontem Regine, in horis Yjpanie, coadunantur …

»Vier Wege führen nach Santiago, die sich zu einem einzigen in Puente la Reina in Spanien vereinen …«, erklärte Aimeric Picaud im ›Codex Calixtinus‹. Unsere Reise war bis dahin eher einsam verlaufen – wir waren gerade einmal auf zwei oder drei Pilgergruppen und den ein oder anderen ungeselligen Büßer gestoßen –, doch nun wurden wir in Puente la Reina der großen Zahl Menschen gewahr, die zur Buße ihrer Sünden mühevoll den heiligen Weg beschritten. Ich selbst hatte über die Großherzigkeit gestaunt, mit der wir bis dahin von den Dorfbewohnern, Bauern und Mönchen entlang des Wegs behandelt worden waren, indessen war nichts vergleichbar mit der Fröhlichkeit und dem Überschwang, mit denen uns die Navarreser jener Gegend bereits in Obanos empfingen. Wie falsch erschienen mir doch die Worte unseres Pilgerführers Aimeric Picaud:

Die Navarreser sind ein barbarisches Volk, das sich von allen Völkern in Gebräuchen und Wesen unterscheidet, voller Bosheit, von schwarzer Farbe, unansehnlich, verrucht, schurkisch, falsch, treulos und korrupt, wollüstig, trunksüchtig, erfahren in Gewalttätigkeiten, unerschrocken und wild, unehrlich und verlogen, gottlos und von rauhen Sitten, grausam und streitsüchtig, kurzum: zu jeglichem Guten unfähig, aber Lastern und der Sündhaftigkeit aufgeschlossen. Es ist dem Volk der Geten und den Sarazenen an Bosheit ebenbürtig, unserem französischen Volk in jeder Beziehung feindlich. Für eine Münze tötet ein Navarreser oder Baske, wenn er kann, einen Franzosen.

Ich hatte jedoch bisher nur höchst selten so viele Menschen so glücklich vereint erlebt, und auch noch nie eine Stadt gesehen, die sich ausschließlich einem einzigen Ziel verschrieben hatte: der Betreuung und Bewirtung des Pilgers.

Kaum waren die ersten Häuser von Puente la Reina auszumachen, lenkte ich Jonas' Aufmerksamkeit auf den Kirchturm vor uns: Obwohl er unten quaderförmig begann, lief er an seiner Spitze in einer wunderbaren, zierlichen achteckigen Kuppel aus. Der Junge lächelte mich wissend an. Später erfuhren wir, daß es sich um die Pfarrkirche von Murugarren handelte, Nuestra Señora dels Orzs, die bis zur Auflösung des Ordens den Templern gehört hatte. Offenbar hatte König García VI. diesen östlichen Stadtkern 1142 den Tempelherren geschenkt, unter der Bedingung, daß sie die Pilger propter Amorem Dei aufnahmen. Diese Tradition der Gastfreundlichkeit war dort noch immer tief verwurzelt und lebendig.

Obwohl alle Pilger, die wie wir die Stadt betraten, zuerst Nuestra Señora dels Orzs aufsuchten, um zu beten, wanderten Jonas und ich zunächst auf der Pilgerstraße weiter. Wir hatten Hunger und wollten uns ausruhen, weshalb wir die Gebete und obligatorischen Kirchenbesuche auf später verschoben und uns zum anderen Ende des Ortes aufmachten, zur Pilgerherberge, die direkt neben einem der beiden Hospitäler der Stadt lag. Wir kamen an der Santiago-Kirche vorbei, die ein reich geschmücktes, von den Mozarabern errichtetes Portal zierte, und gingen dann die Hauptstraße entlang, die von zahlreichen Palästen adliger Familien gesäumt war, deren Wappen die Türstürze krönten. Am Ende der Calle Mayor befand sich die berühmte Brücke, die der Stadt Namen und Ruhm verliehen hatte.

Nie zuvor hatte ich eine so beachtliche, so anmutige und leichte Brücke gesehen wie die von Puente la Reina.



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