Hurenleben by Rudolph Monika

Hurenleben by Rudolph Monika

Autor:Rudolph, Monika
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder GmbH
veröffentlicht: 2014-01-01T05:00:00+00:00


Nichts hat mich so verwirrt wie die Liebe

In der Nacht hatte es geschneit. Gleich würde Benedikt kommen und mich abholen. Der Weg musste unbedingt noch geräumt werden, damit festgetretener Schnee nicht zu einer Rutschbahn gefror. Im Futterhaus der Vögel herrschte reger Betrieb.

Ich genoss die freien Tage nach Weihnachten und benötigte dringend eine ausgedehnte Ruhezeit. Krankenhausfreie Zone nannte ich das. Ich füllte die Freizeit mit Schlaf, einfachen Mahlzeiten und mit dem Lesen von Büchern. Fernzusehen war mir zuwider. Es war herrlich, zusammengerollt neben der Katze zu liegen, ihrem beruhigenden Schnurren zu lauschen und die Seele baumeln zu lassen.

Zurückgezogen in Haus- und Gartenidylle zu leben bedeutete für mich, Stunden im Paradies verbringen zu dürfen. Nirgendwo war ich so glücklich und unbeschwert wie in den eigenen vier Wänden. Tagelanges Alleinsein verstimmte mich nicht und machte aus mir auch keinen depressiven Menschen.

Daher nahm ich Benedikts Einladung nur zögerlich an. Aber nun wuchs von Stunde zu Stunde die Neugier. Es interessierte mich, seine Welt kennenzulernen und Walli, das Zwergschwein, von dem selbst Brendan schwärmte.

Von ihm fand ich kurz nach Neujahr völlig unerwartet Post im Briefkasten vor. Die lustige Zeichnung auf der Karte brachte mich sofort zum Lachen. Vor dem Pub standen zwei Schneemänner und bedrohten sich gegenseitig mit einem Haarfön.

Er schrieb: »Wo immer das Glück sich aufhält – hoffe, ebenfalls dort zu sein. Nicht selten ist es zu Gast in meinem Wirtshaus. Deshalb seien Sie mir stets herzlich willkommen. Ihr Brendan.«

Wäre dieser Mann jünger, bestünde die Gefahr, sich ernstlich in ihn zu verlieben. Seinem Humor konnte wahrscheinlich keine Frau widerstehen. Den Gruß stellte ich neben das Engelorchester auf die Küchenfensterbank.

Es klingelte, und ein strahlender Benedikt begrüßte mich, um mich abzuholen. Er hielt einen Blumentopf mit Kleeblättern in der Hand.

»Ein frohes, neues Jahr, Monika, und alles Gute. Darf ich dich zum Tee bitten? Ich habe sogar Apfelkuchen mit Zimt gebacken.«

Ich sah ihm seine Freude an. Bevor ich mir den Mantel holte, stellte ich den Glücksklee auf den Küchentisch. Vorsichtig zwickte ich ein Blatt ab, ummantelte es mit Küchenfolie und reichte es Benedikt.

»Hier«, sagte ich feierlich. »Möge es dir Glück bringen.«

Verwirrt sah er mich an.

»Hat dich Brendan in sein Geheimnis eingeweiht?«, fragte er schmunzelnd.

»Wie? … Ich weiß nicht …?«, stotterte ich.

»Dass ein Kleeblatt nur dann Glück bringen kann, wenn man hinter geschlossenen Augen sein Zuhause sieht.«

»Sagt er das?«

»Ja! Immer erblickt er sein Heimatdorf. Selbst in seinen Träumen sieht er es. Er lebt nun schon viele Jahre in Deutschland, aber sein Heimweh konnte er nie überwinden. Es wundert mich, dass er dir nichts davon erzählt hat.«

»Bei unserer ersten Begegnung deutete er es dezent an«, antwortete ich. »Ich finde Brendan sehr geheimnisvoll. Das mag ich an ihm. Er hat in seinem langen Leben gut auf sein inneres Kind geachtet.«

Benedikt sah mich nachdenklich an. Mir schien, als fiele in diesem Moment eine innere Entscheidung. Flüsternd verriet er mir: »Er braucht nicht nur davon zu träumen. Er wird sein Heimatdorf sehen. Schon im Frühling. Ich habe eine Reise nach Irland gebucht. Es geht nach Donegal und in die Grafschaft Clare. Wie oft hat er mir von den Cliffs of Moher vorgeschwärmt:

›Das müsstest du erleben, Benedikt.



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