Hunde von Riga: Roman by Henning Mankell

Hunde von Riga: Roman by Henning Mankell

Autor:Henning Mankell [Mankell, Henning]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: German language materials, Swedish fiction, Police, Wallander; Kurt (Fictitious character), Sweden, Latvia
ISBN: 9783423202947
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 1999-12-31T23:00:00+00:00


11

Gegen halb sechs verließ Kurt Wallander das Hotel. Ihm war klar, daß es ihm nie gelingen würde, seine Beschatter abzuschütteln, wenn er es im Laufe der nächsten Stunde nicht schaffte. Nachdem er sich von Sergeant Zids verabschiedet hatte – er hatte ihm gesagt, er habe noch Schreibarbeiten zu erledigen und tue dies lieber im Hotel als im Büro –, widmete er sich der Überlegung, wie er seine Beschatter abschütteln konnte.

Er hatte keine Erfahrung darin, beschattet zu werden. Äußerst selten hatte er selbst Verdächtige beschattet. Er durchforstete sein Gedächtnis nach ein paar klugen Worten von Rydberg über die schwere Kunst des Beschattens. Aber er konnte sich nicht erinnern, jemals von ihm etwas Entscheidendes über einen erfolgreich durchgeführten Überwachungsauftrag gehört zu haben. Ihm war klar, daß er sich in einer unglücklichen Ausgangssituation befand, weil er das Straßennetz überhaupt nicht kannte und deshalb auch keine Überraschungsmomente einplanen konnte. Er würde gezwungen sein, eine günstige Gelegenheit zu ergreifen; sein Versuch würde zum Scheitern verurteilt sein.

Trotzdem mußte er es wenigstens versuchen. Baiba Liepa hätte sich niemals soviel Mühe gegeben, ihr Treffen vor fremden Augen zu schützen, wenn es dafür nicht gute Gründe gäbe. Wallander konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, daß Major Liepas Frau sich grundlos zu dramatischen Aktionen hinreißen ließ.

Es war bereits dunkel, als er das Hotel verließ. Er gab seinen Schlüssel an der Rezeption ab, ohne Bescheid zu sagen, wohin er ging oder wann er wieder zurück sein wollte. Die Gertrudkirche, in der das Konzert stattfinden sollte, lag ganz in der Nähe des Hotels »Latvija«. Er hatte die vage Hoffnung, zwischen den vielen Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen von der Arbeit nach Hause strömten, untertauchen zu können.

Als er das Hotel verließ, bemerkte er, daß es ziemlich windig geworden war. Er knöpfte seine Jacke bis zum Hals zu und sah sich schnell um. Natürlich entdeckte er keinen Beschatter. Vielleicht waren es auch mehrere? Irgendwo hatte er gelesen, daß erfahrene Beschatter niemals hinter der Zielperson gingen, sondern sich möglichst vor ihr aufhielten. Er ging langsam und blieb oft vor Schaufenstern stehen. Es war ihm nichts Besseres eingefallen, als einen abendlichen Spaziergänger zu spielen, einen Ausländer, der während seines kurzen Aufenthalts in Riga versuchte, geeignete Souvenirs zu finden, ehe er wieder abreiste. Er überquerte den breiten Boulevard und bog in die Straße hinter dem Regierungssitz. Für einen kurzen Moment war er versucht, nach einem Taxi Ausschau zu halten und dann darum zu bitten, zu einem Ort gefahren zu werden, an dem er in ein anderes Taxi steigen konnte. Aber er befürchtete, daß dieses Manöver für seine Beschatter viel zu durchsichtig sein würde. Die Männer, die ihn beschatteten, würden sicherlich auch über Wagen und zudem über die Möglichkeit verfügen, binnen kürzester Zeit in Erfahrung zu bringen, wohin und mit welchen Fahrgästen die Taxis der Stadt gefahren waren.

Er blieb an einem Fenster stehen, in dem triste Herrenbekleidung ausgestellt war. Er konnte keinen der Menschen, die hinter ihm vorbeigingen und sich im Schaufenster spiegelten, wiedererkennen. Was mache ich bloß, dachte er. Baiba, du hättest Herrn Eckers sagen müssen, wie er zur Kirche kommen kann, ohne verfolgt zu werden.



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