Hotel de Dream by Edmund White

Hotel de Dream by Edmund White

Autor:Edmund White [White, Edmund]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863001964
Herausgeber: Männerschwarm Verlag
veröffentlicht: 2015-04-30T16:00:00+00:00


ZEHN

CORA WECKTE STEPHEN VOR ANBRUCH DES TAGES. Sie, der Arzt und die zwei Krankenschwestern hatten bereits ein nahrhaftes Frühstück von Porridge, Schinken und Toast zu sich genommen. Nun liefen sie herum, um alles zum Transport auf die Fähre nach Calais vorzubereiten. Selbst Spongie sprang hin und her; Stevie spürte die kalte Nase des Hundes an seinem warmen Arm, der aus dem Bett hing.

Stevie konnte sehen, dass seine Frau nervös war. Sie biss die Zähne zusammen, ihre Hände zitterten, sie wurde mehr als einmal ungeduldig mit den Krankenschwestern, was gar nicht zu ihrer üblichen nüchternen Autorität und Gelassenheit passte. Er hatte sie oft in ihrem Etablissement in Jacksonville erlebt, wenn sie Freunde und wichtige Kunden in ihren Räumen im ersten Stock des Bordells empfing und zugleich den beiden schwarzen Dienern Aufträge erteilte – Eis in diesen Raum zu bringen und saubere Laken in einen anderen –, ohne dabei jemals das Pokerspiel oder ihr Wortgeplänkel mit jungen Soldaten zu unterbrechen, die wussten, dass es bald soweit sein würde und man sie nach Kuba verfrachtete.

Wenn sie heute wegen dieser Reise so angespannt war, dann zweifellos deshalb, weil sie befürchtete, Amerikas berühmtesten jungen Schriftsteller umzubringen, dachte Stephen. Das würden ihr ihre Landsleute niemals verzeihen.

Stephen fand es lästig, rasiert und angezogen zu werden, und es ermüdete ihn, er war mit Absicht nicht kooperativ. Ihm Hemd und Hose anzuziehen war nicht einfacher als eine Leiche anzukleiden. Er hob nicht den Arm und blieb nicht einmal gerade sitzen. Er konnte es nicht. Immer wieder sackte er zur linken Seite und schlief ein.

Wie ein Feldherr kommandierte Cora ein Dutzend Träger, die ihr Gepäck und die Verpflegung hinunter zum Admiralty Pier trugen, wo ihr Kanal-Dampfer, die Petrel, sich aufs Ablegen vorbereitete. Schließlich befand sich nichts mehr im Zimmer als Stephen selbst, den man in einen Leinenstuhl gepackt hatte, der jetzt von zwei kräftigen Männern durch die Flure und die Treppe hinunter getragen wurde.

Das Hotel Lord Warden war einhundert Jahre alt, doch scheinbar hatte man es vor kurzem renoviert, denn die Wände der Flure waren mit Linkrusta tapeziert, einer Art Linoleum mit geprägten Dekors griechischer Vasen und Girlanden. Das Linkrusta wird noch in tausend Jahren hier sein, dachte Stephen, als er von den zwei schwer atmenden Männern vorbeigetragen wurde. Linoleum zerfällt niemals. Es ist unvergänglich.

Cora gab auf ihn acht und sagte immer wieder «Vorsicht, vorsicht», was recht überflüssig war. Sie tänzelte vor Stevies Stuhl herum und versuchte dabei unablässig mit zitternden Händen ihren Hut zu bändigen. Er bemerkte all diese Einzelheiten – die in die Wandbedeckung geprägten Muster und Coras Angst, doch Eindruck um Eindruck überlagerten sich so leicht und fließend wie im Traum. Seine Analfistel jagte stechende Schmerzen durch seinen Körper, obwohl man ihm vor einer halben Stunde eine dieser neumodischen Aspirintabletten gegeben hatte; beim Geschmack von Wasser in seinem Mund war ihm beinahe übel geworden.

In der Nähe der Rezeption polierte ein Page den Messingrahmen der Eingangstür und reinigte halbherzig den Schuhabstreifer. Cora befahl den Trägern, den Stuhl soweit herabzulassen, dass sie den Mantel ihres Manns zuknöpfen, den Schal zubinden und ihm den Hut tiefer ins Gesicht ziehen konnte.



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