Horrorgeschichten by Insel Verlag

Horrorgeschichten by Insel Verlag

Autor:Insel Verlag
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Insel Verlag
veröffentlicht: 2014-06-17T22:00:00+00:00


Hundeöl

Mein Name ist Boffer Bings. Ich wurde von ehrenhaften Eltern auf einem der bescheideneren Lebenspfade in die Welt gesetzt, insofern als mein Vater Hersteller von Hundeöl war und meine Mutter im Schatten der Dorfkirche ein kleines Studio unterhielt, wo sie unerwünschte Babys beseitigte. In meiner Knabenzeit wurde ich dazu erzogen, mich an fleißige Betätigung zu gewöhnen. Ich half nicht nur meinem Vater, Hunde für seine Bottiche zu beschaffen, sondern wurde auch häufig von meiner Mutter dazu angestellt, die Reste ihres Wirkens im Studio wegzuschaffen. Zur Erfüllung dieser Pflicht bedurfte es mitunter meiner ganzen angeborenen Intelligenz, weil sämtliche Gesetzeshüter der Umgebung etwas gegen die Tätigkeit meiner Mutter einzuwenden hatten. Sie waren nicht durch eine Wahlliste der Opposition gewählt, und so war die Sache nie zu einer politischen Affäre gemacht worden, sondern es war eben nur ein Zufall. Der Beruf meines Vaters, Hundeöl herzustellen, war natürlich weniger unbeliebt, wenn die Besitzer verlorengegangener Hunde ihm auch manchmal mit Mißtrauen begegneten, das sich bis zu einem gewissen Grade auch auf mich erstreckte. Mein Vater hatte alle Ärzte der Stadt zu stillen Geschäftsteilhabern, die nur selten ein Rezept verschrieben, welches nicht das enthielt, was sie mit Vergnügen als Ol. can. bezeichneten. Es ist wirklich die wertvollste Medizin, die je entdeckt worden ist, aber die meisten Leute sind nicht willens, den Kranken persönliche Opfer zu bringen, und daher war es offenbar vielen von den fettesten Hunden des Städtchens verboten, mit mir zu spielen, eine Tatsache, die meine jugendlichen Gefühle kränkte und mich eine Zeitlang beinahe dazu gebracht hätte, Seeräuber zu werden.

Wenn ich an jene Tage zurückdenke, kann ich mitunter nicht umhin zu bedauern, daß ich dadurch, daß ich meine geliebten Eltern indirekt umbrachte, zum Urheber von Mißgeschicken wurde, die meine Zukunft grundlegend beeinflußten.

Eines Abends, als ich mit der Leiche eines Findlings aus dem Studio meiner Mutter an der Ölfabrik meines Vaters vorbeikam, sah ich einen Polizisten, der meine Schritte anscheinend scharf beobachtete. Jung, wie ich war, hatte ich doch schon gelernt, daß die Aktionen eines Polizisten, welcher Art sie auch sein mögen, von höchst verwerflichen Motiven geleitet werden, und so ging ich ihm aus dem Wege, indem ich mich durch eine zufällig nur angelehnte Seitentür in die Ölraffinerie drückte. Ich verschloß die Tür sofort von innen und war allein mit meiner Leiche. Mein Vater hatte sich schon zur Nachtruhe begeben. Das einzige Licht im Raum kam vom Schmelzofen her, der unter einem der Kessel in tiefer, starker Glut leuchtete und rötliche Reflexe auf die Wände warf. Das Öl im Kessel siedete noch in trägen Wallungen und brachte gelegentlich ein Stück Hund an die Oberfläche. Ich setzte mich nieder, um zu warten, bis der Polizist wegging, hielt den nackten Leichnam des Findelkindes auf den Knien und streichelte zärtlich sein kurzes, seidiges Haar. Ach, wie schön es war! Sogar in jenem jugendlichen Alter war ich schon ein leidenschaftlicher Kinderfreund, und während ich diesen kleinen Engel betrachtete, hätte ich mein Herz beinahe auf dem Wunsch ertappt, daß die kleine rote Wunde auf seiner Brust, das Werk meiner lieben Mutter, nicht tödlich gewesen wäre.



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