Horchen. Roman by Anke Stelling

Horchen. Roman by Anke Stelling

Autor:Anke Stelling [Stelling, Anke]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783104007182
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2011-09-29T23:00:00+00:00


Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als man denkt.

Und abgesehen davon, dass Elke Katja zu Toleranz erzogen hat, ist Katja mit Gernot hier, und Gernot lacht und trinkt Apfelsaft und unterhält sich blendend mit diesen frommen, merkwürdigen Gestalten. Jetzt legt er Katja den Arm um die Schultern und stellt sie vor.

Katja schmiegt sich in seine Umarmung, lächelt. Diese Leute scheinen so etwas wie seine Familie zu sein, und bei Familienmitgliedern spielt es keine Rolle, was sie tun, wie sie aussehen, man lächelt und ist dankbar, einen Eindruck zu kriegen. Vorgestellt zu werden, eingeführt.

Zweimal die Woche treffen sie sich, und der Prediger heißt Karsten und ist Ursulas Mann, der Hauskreisleiter von Brauna. Eine kleine Gruppe inmitten der großen, internationalen, die vor mehr als zwanzig Jahren von Pastor Geoffrey gegründet wurde. Hier in Brauna gibt es die Gruppe erst seit kurzem, und alle freuen sich über den Neuzugang. Gernot lässt Katja los und geht zu dem Bärtigen hinüber.

Ursula nimmt Katja mit in die Küche. »Zu den Frauen.«

Katja hört Gernot lachen, er vertraut darauf, dass sie weiß, wie man sich als Neuzugang benimmt.

Nam Ju ist schon dabei, die Gläser abzuspülen, und Ursula drückt Katja ein Geschirrtuch in die Hände.

»Kennst du dich denn ein bisschen aus mit der Geschichte der Christen?«

»Naja. Ich hatte Religions- und Konfirmandenunterricht.«

»Dann bist du evangelisch?«

Katja nickt. Kann man das so sagen? Seltsamerweise ist sie froh, nicht völlig ungläubig dazustehen. Sie reicht Ursula die blankpolierten Gläser, und Ursula räumt sie in den Schrank.

»Bei uns zu Hause war man katholisch«, sagt sie. »Mit Heiligenbildchen und Ave Maria. Das war gar nicht so leicht, von da aus den Weg zu finden zum richtigen Glauben im Herrn. Aber ich sag immer, wer sucht, der findet über kurz oder lang sein Törchen, nicht wahr?«

Nam Ju dreht sich vom Spülbecken um und zwinkert bestätigend. Ob sie wirklich daran glaubt, dass das kollektive Gebet ihre Schwester geheilt hat? Wo kommt sie her? Was war ursprünglich ihr Glaube?

»Und dein Törchen war Karsten?«, fragt Katja.

Ursula lacht. »Oh nein. Ich bin noch vor Karsten gerettet worden! Ihn hab ich erst später kennengelernt, in England, bei unserer Generalversammlung im Herbst. Da bin ich dann zu Pastor Geoffrey gegangen und hab ihn gefragt, ob das wohl sein könnte, das mit Karsten und mir. Und er hat zugestimmt.«

Das gibt es also wirklich. Arrangierte Ehen, einen Pastor, der um Erlaubnis gefragt wird. Katja ist in eine Sekte geraten, und statt dass sie das Weite sucht, plaudert sie noch und ist dankbar, dazuzugehören. Demnächst wird sie ihrerseits Zeugnis ablegen und ordentlich mitsingen. Sie sieht sich in der Küche um. Gernot wird diese Küche genauso hässlich finden wie sie und auf der Rückfahrt mit ihr über die Radieschengardinen lästern.

»Wo ist denn die Toilette, bitte?«

Kaum sitzt sie auf dem Klo, hat Katja die nächste Kuriosität vor Augen – einen kopierten Zettel mit Smileys und Anweisungen, Wie man der Hausfrau helfen kann. Schuhe ausziehen, gleich als Erstes. Sein Geschirr selbst hinaustragen. Eine Liste wie im Ikea-Restaurant oder in der Teeküche eines Verwaltungsbüros, aber oben rechts in der



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