Homo Sapiens 404 by Claudia Kern

Homo Sapiens 404 by Claudia Kern

Autor:Claudia Kern
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rohde Verlag
veröffentlicht: 2013-01-20T05:00:00+00:00


6

»Der Stationskommandant will euch vertreiben, um seinen Vater zu beeindrucken?«, fragte Rin.

Die Frau mit dem Kanarienvogel, ihr Name war Bridget, nickte. »Und das wird er auch tun, egal, wie sehr diese Idioten da unten rumschreien. Er hat Haie, Pistolen, Gas … Er hat alles, und wir haben nichts.«

Rin sah den Haien hinterher. Sie ließen sich Zeit, nahmen nicht die Aufzüge, sondern benutzten die Treppen zwischen den Ebenen, um nach unten zu gelangen. Das Trommeln ihrer Schlagstöcke hallte durch die Station.

Das dient alles der Einschüchterung, dachte Rin. Sie wollen nicht verhandeln, sie wollen unterdrücken.

»Ich würde eigentlich ganz gern auf eine andere Station ziehen«, fuhr Bridget fort. »Raus aus dem Dreck, vielleicht in ein kleines Zimmer mit eigenem Klo. Die soll es woanders geben.«

»Aber nicht für uns«, sagte Rin.

»Woher willst du das wissen?« Bridget winkte ab, als wollte sie die Antwort gar nicht hören. »Ach, ihr jungen Leute lasst euch immer so schnell aufhetzen. Nicht alles, was die Jockeys tun, ist böse.«

»Nur das-« Rin unterbrach sich, als sie Auckland aus einem der Aufzüge treten sah. Er achtete weder auf das Trommeln der Haie, noch auf die Sprechchöre, die von unten heraufdrangen. Mit langen Schritten ging er über die Galerie, so wie ein Mann, der ein klares Ziel hatte. Er kam genau auf Rin zu, aber noch sah er sie nicht.

So soll es auch bleiben, dachte sie und trat rasch einige Schritte in einen schmalen Gang neben dem Brokerbüro. Er führte nur zu zwei Türen, die beide geschlossen waren. Etwas genervt bemerkte sie, dass Bridget ihr folgte. Sie hatte bei Rin angedockt wie ein Shuttle an ein Schiff. Sie zum Abflug zu bewegen, würde nicht ganz einfach sein.

»Keine Lust, dem Ex zu begegnen?«, fragte Bridget.

Rin ignorierte sie.

»Ich hatte auch mal so einen Kerl, der nicht kapiert hat, dass es zwischen uns aus war. Monatelang hat er auf mich gewartet, wenn ich von der Arbeit kam, mich ein Dutzend Mal am Tag angerufen und so weiter. Irgendwann hab ich ihm die Bullen auf den Hals geschickt, danach war Ruhe. Ich glaube, er war in Dublin, als die Stadt gekeult wurde.«

Keulen. Das Wort brachte die Erinnerung an Interviews mit hilflosen Politikern und überforderten Generälen zurück. Sie hatten es verwendet, wahrscheinlich, weil irgendeine PR-Firma ihnen erklärt hatte, dass ›Präventivkeulung der Bevölkerung‹ weniger barbarisch klang als ›Präventivermordung‹. Genutzt hatte es nichts.

»Was soll’s. Er war eh ein Arschloch. Ich verstehe bis heute nicht, wieso ich mich mit ihm eingelassen habe. Klar, er sah gut aus, so ein Typ wie dieser Schauspieler … Wie hieß er noch gleich? Der aus den Komödien, der was mit der einen Prinzessin hatte?«

Draußen ging Auckland vorbei. Rin traf eine Entscheidung. Sie drehte sich um. »Weißt du eigentlich, dass es Tierquälerei ist, so einen Vogel allein zu halten?«

»Erik braucht keinen anderen Vogel. Er hat doch mich. Außerdem singen Kanarienvögel nur, wenn man sie allein hält.«

»Weil sie einsam sind.« Rin machte einen Schritt auf sie zu und hoffte, dass sie bedrohlich wirkte. »Das ist eine Schweinerei. Man sollte dir Erik wegnehmen.«

Bridget legte schützend beide Arme um den Käfig.



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