Hoffnung eines neuen Tages: Roman (German Edition) by Büchle Elisabeth

Hoffnung eines neuen Tages: Roman (German Edition) by Büchle Elisabeth

Autor:Büchle, Elisabeth [Büchle, Elisabeth]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-03-02T23:00:00+00:00


Kapitel 24

Bei Riga, Russisches Gouvernement Livland, November 1917

Der Küstenstreifen lag verlassen da und wirkte so still und unberührt, als habe ihn noch nie ein Mensch betreten. Dennoch wartete Karlis ab. Er ließ das Boot auf den Wellen auf und ab tanzen, während er mehrere Minuten lang den Sandstrand mit einem militärisch aussehenden Feldstecher absuchte.

Zitternd vor Nässe und Kälte ließ Anki ihn gewähren. Sie wusste, ihre unentdeckte Landung ging ihrem brennenden Wunsch vor, endlich dieser Nussschale zu entkommen, zumal sie sich keinen Illusionen hingab: Wenn sie erst an Land war, befand sie sich in Begleitung von drei russischen Prinzessinnen in einem von den Deutschen besetzten Gebiet. Sie würden noch eine geraume Zeit frieren, hungern und dursten und aufgrund des soeben einsetzenden Nieselregens weiterhin die schwer an ihnen klebende, klamme Kleidung tragen.

Besorgt warf sie einen Blick auf Katja, die schlafend zu Karlis Füßen lag. Das Mädchen war nicht besonders widerstandsfähig und kränkelte oft.

»Wir wagen es«, rief Karlis gegen die an die Bordwand klatschenden eisigen Wellen und den Wind an. Er ruderte in gerader Linie auf den grauen Sandstreifen zu, der sich zwischen den schäumenden Wellen und einem mit niedrigem Buschwerk bewachsenen Hinterland erhob. Die Dünung trug den Kahn vorwärts und wenig später knirschte der Sand unter dem Rumpf.

Karlis sprang in das knietiefe Wasser, ergriff den Bug, auf dem Jelena mit tapferer Gelassenheit saß, und zerrte sein Boot an Land.

»Aussteigen«, befahl der junge Mann und schubste Jelena unsanft. Sie erhob sich, als habe ihr das Schaukeln nichts anhaben können, nahm die beiden Taschen auf und sprang geschickt in den Sand, der schmatzend unter ihren Schuhen nachgab.

Anki weckte Katja und bat sie, aus dem Boot zu klettern, während sie mit der schlafenden Jenja im Arm folgte.

»Verstecken Sie sich«, zischte Karlis zum Abschied. Kraftvoll schob er das Boot zurück in die Ostsee, sprang hinein und ließ sich auf die Ruderbank fallen. Innerhalb von Sekunden verschwand der Kahn zwischen Wellenbergen, Regentropfen und auffliegender Gischt aus ihrem Blickfeld.

Anki drehte sich hilflos um sich selbst. Vor ihr lag ein schmaler Sandstreifen und knorriges, vom Wind in Richtung Land gebeugtes Buschwerk. Dahinter glaubte sie nichts als Gestrüpp, verwilderte Wiesen und in der Ferne einen Wald zu erkennen. Ratlos warf sie einen Blick auf das schwer in ihren Armen hängende Kind, dann auf Jelena, die ebenfalls ihre Umgebung musterte und dabei ihre jüngere Schwester, die ihr Gesicht in Jelenas Rock barg, fest an der Hand hielt.

Ihre Haare klebten an ihnen, die Kleidung hing wie nasse Säcke um ihre Körper und in ihren Gesichtern nahm sie dieselbe Mischung aus Müdigkeit und Angst wahr, die auch sie verspürte.

Es war unsinnig, auf das Meer hinauszustarren und zu hoffen, dass Robert bald nachkommen würde, dennoch tat Anki genau dies. Was sie sah, ließ sie erschaudern: Mächtige schwarze Schatten erhoben sich plötzlich wie urzeitliche Monster aus dem Meer. Sie trotzten Wind und Wellen und schoben sich unaufhörlich näher. Kriegsschiffe. Ob sie und die Mädchen von den Soldaten an Bord gesehen werden konnten?

»Wir gehen da rüber zu den Bäumen und suchen dort Schutz vor dem Wind«, wies sie ihre Schützlinge mit gespielt ruhiger Stimme an.



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