Himmelsfeuer by Wood Barbara

Himmelsfeuer by Wood Barbara

Autor:Wood, Barbara [Wood, Barbara]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-10-402234-5
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2013-11-02T16:00:00+00:00


Bis sie ihr Cocktailkleid ausgezogen hatte und in einen bequemen Jogginganzug geschlüpft war, hatte der Sturm zugenommen, was sich in ihrem Zelt wie verhaltenes Heulen anhörte. Erica stellte sich vor, wie die Ährenfischjäger jetzt zu ihren Autos hasteten und die Fische selbst wie seit Tausenden von Jahren weiterhin ihren Ritt über die Wellenkämme absolvierten, ohne befürchten zu müssen, gefangen zu werden. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Objekt auf ihrem Arbeitstisch, den erstaunlichen Fund von heute Nachmittag auf Ebene IV.

Bei seiner Entdeckung war sie überwältigt gewesen, hatte sich darauf gestürzt wie ein Schatzsucher auf einen Goldklumpen. Jetzt, da all ihre Gedanken um Jared kreisten, fragte sie sich zerstreut, was das Objekt eigentlich darstellen sollte und warum sie ihm eine derartige Bedeutung beigemessen hatte.

Sie zwang sich, die vor ihr liegende Aufgabe anzupacken. Genau das hatte sie ein Leben lang getan, und das hatte sie immer davor bewahrt, im eigenen Kummer zu ertrinken. Denk nicht an den Dämon, der dir im Nacken sitzt, dann existiert er nicht. »Das Haar ist schwarz, ohne Spuren von Grau«, sprach sie in ihr Diktiergerät, mit einer Stimme, die ein wenig zu laut klang, »zu einem vierzehn Zoll langen Zopf geflochten, der allem Anschein nach unten am Nacken abgeschnitten wurde. Vermutlich der Zopf einer Frau.« Mit einer Pinzette angelte sie etwas heraus, was wie eine rosa Flocke aussah. »Der Zopf scheint zusammen mit Blütenblättern vergraben worden zu sein«, sagte sie und wendete die spröde Flocke unter Licht um, besah sie sich eingehend unter einer Lupe. »Bougainvillea«, ergänzte sie dann.

Sie schluckte angestrengt. Die Enge in ihrer Brust war noch immer zu spüren, wie ein düsteres, schwarz gefiedertes Wesen, das im Schatten außerhalb des Pool-Decks der Dimarcos auf der Lauer gelegen und nur darauf gewartet hatte, dass Erica einen Anflug von Schwäche zeigte und nicht aufpasste, um in sie einzudringen und sich in ihrer Brust einzunisten.

»Da die Bougainvillea erst nach 1769 nach Kalifornien gelangte und der Zopf in einer tieferen Schicht gefunden wurde als der, in der wir die Ein-Cent-Münze entdeckten, andererseits aber in einer höheren Schicht als in der, in der das Blechkruzifix lag, muss das merkwürdige Ritual, in dessen Verlauf dieser Zopf abgeschnitten wurde, zwischen 1781 und 1814 stattgefunden haben.« Sie legte eine Pause ein, ihr Blick ging ins Leere, ihre Hände verharrten über dem Fundstück. Wir kommen der Sache zeitlich näher, überlegte sie.

Sie nahm den Zopf in beide Hände, spürte das Gewicht dieser Flechten, die einmal die Zierde einer jungen Frau gewesen waren. Warum wohl hatte man sie ihr derart rigoros abgeschnitten? In einem Jahrhundert, in dem die Frauen ausnahmslos ihr Haar lang trugen, schien diese radikale Handhabung auf eine Bestrafung hinzudeuten oder auf eine Disziplinierung oder Demütigung. Eins stand zumindest fest: Das Opfer war keine Amerikanerin. Das war in der Schicht, in der man den Zopf gefunden hatte, auszuschließen. Es konnte sich demnach um eine Spanierin handeln, die möglicherweise von ihren moralisch empörten Brüdern in die Höhle geschleppt und dann auf diese Weise bestraft worden war, weil sie die Ehre der Familie besudelt hatte.



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