Highsmith, Patricia by Die zwei Gesichter des Januars

Autor:Die zwei Gesichter des Januars
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

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Chester versteckte sich tatsächlich in einem Gestrüpp nur dreißig Meter vom Palasteingang entfernt auf der dem Tor gegenüberliegenden Seite, oder vielmehr war er dort zusammengebrochen. Abwechselnd zitterte er vor Anspannung und wurde dann vollkommen schlaff, als hätte er gar keine Muskeln im Körper. Der Regen war ein leises Rauschen in seinen Ohren. Seine Kleider waren völlig durchnäßt. Er befand sich in einer halb sitzenden, halb liegenden Position, auf einen Arm aufgestützt, die Hand ruhte flach auf dem unebenen, feuchten Erdboden. Er lag lange dort, es wurde schon langsam dunkel, ehe er wieder klar denken konnte, und dann war sein erster Gedanke einfach, daß es langsam dunkel wurde. Von da an ging es allmählich aufwärts.

Rydal mußte hier vorbeigekommen sein. Rydal erwartete ihn bestimmt in diesem Hotel in Heraklion, wo sie die Koffer gelassen hatten. Und Colette lag immer noch im Regen auf der Terrasse. Dieser Gedanke durchfuhr ihn wie ein katastrophaler Stich, und er begann wieder zu keuchen und zu zittern. Es war Rydals Schuld. Wut füllte die Leere aus, die der Schmerz gerissen hatte. Rydal würde dafür bezahlen. Chester stand vorsichtig auf. Allmählich war er imstande zu planen. Er ging die Straße nach Heraklion [219] entlang. Seine Hände kamen ihm irgendwie leer vor, bis er begriff, daß er den Reiseführer im Palast liegengelassen hatte, auf der obersten Terrasse. Er grinste, und dann weinte er ein wenig. Danach zog er seinen Kamm hervor und fuhr sich damit ein paarmal durch das dünne nasse Haar. Er würde wohl den Bus nehmen müssen. Keine Chance auf ein Taxi auf dieser Landstraße.

Er hatte etwa fünfunddreißig Minuten langsamen Fußmarsch hinter sich, als endlich ein Bus nach Heraklion in Sicht kam. In die andere Richtung waren schon mindestens drei vorbeigefahren. Chester winkte, und der Bus hielt auch tatsächlich für ihn an. Er stieg ein und suchte das beleuchtete Innere sofort hektisch nach Rydal ab. Doch ihm blickten nur würdevolle Griechengesichter entgegen, zumeist dunkel und unrasiert, kein Rydal.

Auch den Platz mit der Endstation des Busses suchte Chester nach Rydal ab. Aber der wartete offenbar im Corona auf ihn. Der Name des Hotels war Chester wieder eingefallen. Vorher hatte er überhaupt nicht denken können. Um sich nur ja nichts anmerken zu lassen, ging Chester betont langsam auf ein Café zu, dessen Lichter er vom Platz aus gesehen hatte. Alle Leute schienen ihn anzustarren. Er wünschte, er hätte seinen Hut auf, aber auch der war ihm in Knossos abhanden gekommen.

Unter gewöhnlichen Umständen wären die nächsten zwanzig Minuten für Chester ein Alptraum gewesen, doch er ertrug sie mit stoischer Geduld. Zunächst mußte er die örtlichen Hotels im Telefonbuch finden, unter xenodocheion – dieses Wort kannte er immerhin. Dann galt es, das Corona anzurufen und darum zu bitten, sein Gepäck, das [220] er dort unter dem Namen Chamberlain abgestellt hatte, ins Hotel Hephaestos schicken zu lassen, auf das Chester soeben im Telefonbuch gestoßen war. Er hatte zwar im Corona jemanden am Apparat, der Englisch konnte, doch entweder gelang es ihm nicht, sich verständlich zu machen, oder der Mann wollte einfach seinen Gast nicht verlieren.

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