Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut by Lénard Nané

Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut by Lénard Nané

Autor:Lénard, Nané [Lénard, Nané]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: CW Niemeyer Buchverlage GmbH
veröffentlicht: 2013-10-10T17:00:00+00:00


Die alte Tongrube

Welcher Bückeburger kannte sie nicht, die Tongrube an der alten Ziegelei im Höppenfeld. Mittlerweile war dort ein Biotop entstanden. Der Teich lag schon jahrelang da, sich selbst überlassen. In den Steilwänden nisteten Eisvögel. Im Wasser schwammen Schleien, Barsche, Karpfen, ja selbst Forellen lebten hier. Das Gewässer wurde durch unterirdische Quellen der Beeke gespeist und floss wieder in den Bachlauf abwärts. Tagsüber gingen entlang des Teiches gerne Menschen mit ihren Hunden spazieren, doch in der Dunkelheit wagte sich kaum jemand hierher. Am Seiteneingang des evangelischen Friedhofs vorbei musste man ein ganzes Stück durch freies Feld gehen. Es war unheimlich hier draußen. Das Teichgelände selbst war mittlerweile so zugewachsen, dass man kaum noch ans Wasser kam. Und selbst wenn, musste man aufpassen, dass das Ufer nicht einbrach, weil es unterspült war, oder dass man nicht auf dem lehmigen Untergrund ausglitt.

Sabine konnte sich noch nicht wieder richtig grade halten. Die Wunden schmerzten noch zu sehr. Am Sonntagabend hatte er ihr die Drainagen gezogen. Mit einem Ruck. Das war das Beste, meinte er. Sie brauchte sie nun nicht mehr. Die Arme hatte er ihr – noch bevor sie richtig wach war – mit Kabelbindern zusammengebunden. Wahrscheinlich hätte Sabine sich sowieso nicht mehr zur Wehr gesetzt. Ihr Widerstand war gebrochen. Sie war nicht dumm, hatte die Ausweglosigkeit der Situation erkannt und sich in ihr Schicksal ergeben. Ihr Peiniger war nun ganz in schwarz gekleidet. Ungeduldig schob er sie ins Auto. Es musste schon Nacht sein oder später Abend. Sie erkannte das Auto sofort wieder. Sie war hier neulich in gutem Glauben eingestiegen, um zu helfen. Alles Lüge. Doch warum nur? Was wollte der Mann von ihr, und was hatte er ihr alles angetan? Sie war jetzt sowieso ein Nichts. Verstümmelt. Unmenschlich. Kein Mensch mehr. Genau wie der Fremde. Er hatte ihr ihre Eingeweide unter die Nase gehalten. Als ob es das noch schlimmer gemacht hätte. Zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Da war sie schon innerlich tot. Was konnte jetzt noch kommen?

Die Fahrt kam ihr endlos vor, dabei kannte sie den Weg. Durch Vehlen hindurch in Richtung Bückeburg. Am ersten Kreisel rechts und wieder rechts, bis zum Friedhof. Da hielt der Wagen an, die letzte Biegung nahm er ohne Licht, ließ sich vom Dunkel verschlucken.

Leise öffnete er die Beifahrertür, zog sie an den gefesselten Händen heraus und schob sie in Richtung Feldweg. Über der Schulter trug er einen Beutel. Sie ging leicht nach vorn gebeugt, ob vor Schmerz oder Kummer, das ließ sich nicht mehr unterscheiden. Alles war eins.

Sie stolperte vor ihm den unebenen Weg entlang. Hier sah man fast gar nichts. Die Mondsichel gab nicht genug Licht und oft blieb sie hinter den Wolken verborgen. Inzwischen hatten sie einen Bach erreicht, es plätscherte leise. Das musste die Beeke sein. Sabine kannte das Gelände von früher, als hier noch die Ziegelei stand. Der Schornstein war irgendwann gesprengt worden, dann war es zur Müllkippe und mittlerweile zum Naherholungsgebiet geworden. Was für komische Gedanken ihr kamen. Ihr fiel wieder ein, wie sie in dem Teich hier links mal nackt geschwommen war.



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