Herrn Dames Aufzeichnungen by Fanny zu Reventlow

Herrn Dames Aufzeichnungen by Fanny zu Reventlow

Autor:Fanny zu Reventlow [Reventlow, Fanny zu]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 3784416454
Herausgeber: Langen Müller
veröffentlicht: 1975-12-31T23:00:00+00:00


9

[178] 10. Februar

Ich habe heute wieder durchgelesen, was ich zuletzt aufgeschrieben, und ich fühle Sehnsucht nach den Tagen im Eckhaus. Wie eine Reihe stets wechselnder Bilder gleiten sie noch einmal an mir vorüber – bunt, bewegt,[178] geräuschvoll und dann wieder müde und verträumt in schläfrigem Halbdunkel – wie jener Winternachmittag, wo alle schliefen und wir drei in dem großen Zimmer um den Ofen lagerten. Bis dann Chamotte mit dem kleinen Mädel heimkam, das ich mit ganz neuem Interesse betrachtete – ich kann wohl sagen, daß ich es zum erstenmal ›erlebte‹. Ich habe im allgemeinen nicht viel Sinn für Kinder und weiß nicht viel an ihnen zu erleben, aber das Gefühl, daß es das Kind dieser Frau ist, die ich so tief und stumm verehre – und daß es ihr vielleicht später einmal gleichen wird. Und wie wir dann noch später leise aus dem Hause schlichen, um wieder auf einen Ball zu gehen – wie wir erst in dem Licht und Lärm mitten unter tobenden und tanzenden Menschen wieder richtig wach wurden und uns ganz verwirrt und erstaunt ansahen – das liegt schon alles etwas traumhaft hinter mir.

In meiner Wohnung kam ich mir zuerst beinah wie ein Fremder vor. Chamotte schlich trübselig herum und meinte, diesmal hätte ich mich selbst verurteilt, wir hätten doch ebensogut noch länger im Eckhaus bleiben können. Aber ich brauchte zur Abwechslung einmal etwas Ruhe. Äußerlich vermag ich mich schon zeitweise einem solchen Wirbel anzupassen, aber mein inneres Leben kann ich nicht überstürzen, das will ein stilleres Tempo und konnte nicht mehr mit.

Allerhand Briefe vorgefunden, meinem Stiefvater hatte ich noch im Eckhaus ausführlich geschrieben. Er antwortete herzlich und eingehend, wie das seine Art ist. Es freue ihn aufrichtig, daß ich so viel mitmache und in ein etwas intensiveres Fahrwasser zu geraten scheine, man sei schließlich doch nur einmal jung.[179]

Das sagen die älteren Leute ja mit Vorliebe – gerade solche, die sich selbst noch immer weiter amüsieren, als ob sie zwanzig Jahre alt wären – und es kann mich leise nervös machen. Immer wieder die alte Geschichte – es gibt Menschen, die überhaupt jung sind, ohne Rücksicht auf die Zahl ihrer Jahre, und andere, die es niemals sind, auch während der vorgeschriebenen Zeit nicht. Und wie es sich bei mir damit verhält, müßte mein väterlicher Berater wohl am besten wissen, aber er hofft wohl immer, es käme noch. Mit meinen literarischen Absichten ist er sehr einverstanden und ermahnt mich, den geplanten Roman nun auch wirklich zu schreiben. Wo sich hier von allen Seiten so viel Anregung biete, müsse es doch ein leichtes sein.

Ich aber fürchte wieder, es wird damit nicht so schnell gehen. Es gilt, vor allem erst das Material zu sammeln und sich einen Stil zu bilden.

Ich denke, darin wird mein ›Tagebuch‹, wie Susanna es etwas ironisch nennt, mir gute Dienste leisten. Man gewöhnt sich daran, alles Erlebte doppelt in sich aufzunehmen und bei allem, was man schreibt, auf den Stil zu achten. Auch dazu hat ja mein Stiefvater mich von jeher ermuntert – er wies bei



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.