Herrin der Luege by Kai Meyer
Autor:Kai Meyer [Meyer, Kai]
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Der Segen des Papstes
Nach Zinders Abschied irrte Saga lange im Lager umher, beobachtete Frauen, deren Gesichter und Namen sie nicht kannte und die ihr, einer Fremden, dennoch ihr Leben anvertrauten. Sie dachte an das, was Zinder gesagt hatte. Er hatte sich entschlossen, seine Verantwortung abzulegen wie einen alten Mantel. Vielleicht war es für Saga noch nicht zu spät, das Gleiche zu tun. Warum hatte er sie nicht gefragt, ob sie ihn begleiten wollte? Hatte er Angst gehabt vor dem, was sie antworten würde?
SchlieÃlich war es Berengaria, die sie nahe eines der groÃen Feuer aufstöberte und zurück zum Palast brachte.
»Das Festmahl zu Ehren des päpstlichen Gesandten«, sagte die Normannin knapp. »Alle warten auf dich. Der Erzbischof und die Gräfin sind auÃer sich, weil wir dich nirgends finden konnten.«
Ein Stück weit erfüllte Saga die Vorstellung mit Befriedigung, dass Violante sich wegen ihr die Haare raufte; aber es war ein oberflächliches Gefühl, das gleich wieder verging. Vielleicht sollte sie aufhören, Violantes Entscheidung persönlich zu nehmen. Für den Kreuzzug mochte sie das Richtige getan haben. Aber Saga stand Zinder zu nahe, um seinen Zorn und seine Enttäuschung nicht nachvollziehen zu können. Und er war der Einzige im Lager gewesen, dem sie ihr Leben anvertraut hätte.
Als Berengaria und sie auf dem Pferd der Normannin den Palast erreichten, entstand Aufruhr. Violante sprach kein Wort mit ihr, schleuderte nur vernichtende Blicke in ihre Richtung und gab den Zofen übellaunige Befehle, Saga so schnell wie möglich hoffähig herzurichten. Saga lieà all das über sich ergehen. Man steckte sie in ein schlichtes Kleid â nur ja nicht zu schmuckvoll schlieÃlich sollte sie dem Gesandten des Papstes als gottesfürchtige Predigerin vorgeführt werden â, stellte irgendetwas mit ihrem Haar an, das sie selbst nicht sehen konnte, und schleuste sie an zahllosen Wächtern vorbei in den groÃen Festsaal der erzbischöflichen Residenz.
Um eine enorme Tafel für hundert oder noch mehr Menschen waren eine Reihe kleinerer Tische angeordnet worden, an denen jeweils zwanzig Höflinge und Geistliche Platz genommen hatten. Im ganzen Saal mussten sich vierhundert oder fünfhundert Personen aufhalten, vorwiegend Männer. Schmiedeeiserne Kerzenleuchter hingen an schenkeldicken Ketten von der Decke, an den Wänden brannten Fackeln. Jagdhunde streiften frei umher und verschlangen, was man ihnen von den übervollen Tischen zuwarf. Der Erzbischof zog am heutigen Abend alle Register prahlerischer Völlerei.
Aribert della Torre saà an der Stirnseite der groÃen Tafel, hatte seinen üblichen Platz in der Mitte aber an den Gesandten des Papstes abgetreten. Der hohe Gast war ein rundlicher Mann mit schwarzem Haar, jünger als Saga erwartet hatte, der den Weinen und Schüsseln weit gröÃere Aufmerksamkeit schenkte als den Gesprächen, die ihm von allen Seiten aufgedrängt wurden.
Saga wappnete sich beim Eintreten für das Kommende und wurde nicht enttäuscht. Erzbischof Aribert führte sie vor wie ein kostbares Spielzeug, hielt eine weitschweifige Rede über die Bedeutung der Unschuld und den sicheren Untergang des Sarazenenreiches, wenn es dem Abendland gelänge, ein solches Kontingent an Reinheit und gottesfürchtiger Entschlossenheit aufzubieten. Andere Redner schlossen sich an, und zuletzt durfte auch Gräfin Violante eine paar knappe Worte sprechen, ehe Aribert ihr unverhohlen signalisierte, sie möge zum Ende kommen.
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