Herodot und Thukydides by Will Wolfgang
Autor:Will, Wolfgang [Will, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406682186
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-11-04T16:00:00+00:00
Barbaren
«Barbaros» ist bekanntlich ein Schallwort; die lautmalende Verdoppelung einer Silbe ahmt unverständliche Laute nach, bedeutet also stammelnd, stotternd, radebrechend, wie schon der Geograph Strabon (1. Jahrhundert v. Chr.) in seiner Herleitung des Wortes auseinandersetzte. Homer hörte dies noch nicht heraus. Die Trojaner sind, wie später auch bei Herodot, noch keine Barbaren, ja Homer kennt das Wort überhaupt nicht. Ein einziges Mal verwendet er die adjektivische Zusammensetzung barbaróphonos (Il. 2.867), die er zudem nur auf das kleine Volk der Karer im Westen Kleinasiens anwendet, die er offenbar «fremdsprachig» nennt. Der Begriff hat zunächst nichts von der Herabwürdigung, die er später annahm. Im Zuge der Herausbildung des Wortes Hellenen (zunächst nur eines der vielen griechischen Völker) als Sammelname für alle Griechen (Panhellenen) bezeichnete das Wort «Barbaren» alle Nicht-Griechen. Das ist bei Herodots Vorgänger Hekataios so und ebenfalls bei seinem Zeitgenossen Aischylos, in dessen Perser-Drama Bárbaroi als Synonym für Perser begegnet und das dazugehörige Adjektiv das persische Heer oder das asiatische Land im Gegensatz zum griechischen Heer und zu Griechenland bezeichnet. Damit einher geht bei Aischylos nach der Erfahrung der Xerxes-Invasion aber bereits die Betonung der griechischen Freiheit als Gegensatz zur asiatischen Despotie.
Herodot: Die Negativierung des Barbarenbildes begann infolge der persischen Invasion und erreichte schließlich nach dem Königs-Frieden von 387/6 ihren Höhepunkt. Athen förderte sie nach Gründung des Seebundes, um diesem mit antipersischer Propaganda Sinn und Zweck zu verleihen. Herodot ist davon frei. Bereits mit dem Einleitungssatz dokumentiert er ostentativ seine Einstellung. Er möchte von den großen und wunderbaren Taten erzählen, die sowohl Griechen wie auch Barbaren vollbracht haben. Der Leitfaden seines Werkes sind, wie gesagt, die Konflikte zwischen diesen beiden Gruppen. Im engeren Sinn umfaßt der Barbarenbegriff also Lyder, Meder und Perser, im weiteren alle Nicht-Griechen, und das ist die Bedeutung, die Bárbaroi in den Historien durchgängig hat.
Herodot ist nicht nur in enger Berührung mit nicht-griechischen Völkern aufgewachsen, er hat vermutlich auch den Osten (wahrscheinlich nicht Mesopotamien, um von weiter östlich gelegenen Gebieten zu schweigen) bereist und war sich der kulturellen Leistungen der Völker Asiens bewußt. Immer wieder – in 2.58 nennt er die fremde Herkunft der heiligen Feste, Umzüge und Opferfeiern in Griechenland – weist er darauf hin, wie viel die Griechen von den Barbaren, im konkreten Falle den Ägyptern, lernten. Eine Herabwürdigung verbot sich – im Gegenteil, das Unverständnis, auf das Herodot bei vielen Griechen des Mutterlandes offenbar stieß, hat seine Achtung vor den Errungenschaften der Ägypter, Perser oder Phoiniker noch verstärkt. Das demonstrative Bekenntnis zum persischen Ursprung der Verfassungsdebatte ist ein Beispiel.
Das, was das Leben eines Volkes ausmachte – Sprache, Gebräuche, Sitten –, war Konvention, und für Herodot stand es niemandem an, sie lächerlich zu machen, zu verspotten oder zu verachten. Als Kambyses dies gegenüber den Ägyptern tut, beweist das für Herodot, daß der König tatsächlich wahnsinnig geworden war. Ansonsten hätte er fremde Gebräuche nicht verhöhnt: «Denn wenn man an alle Völker der Erde die Aufforderung ergehen ließe, sich unter all den verschiedenen Sitten die vorzüglichsten auszuwählen, so würde jedes, nachdem es alle geprüft, die seinigen allen anderen vorziehen. So sehr ist jedes Volk überzeugt, daß seine Lebensformen die besten sind.
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