Helenas Geheimnis by Lucinda Riley

Helenas Geheimnis by Lucinda Riley

Autor:Lucinda Riley
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag


Alex’ Tagebuch

23. Juli 2006

Wenn ich dann in die Schule komme, hoffe ich bloß, dass sie von mir nicht den üblichen Aufsatz über »Meine langweiligen Ferien« verlangen. Den könnte ich nämlich nicht schreiben. Weil meine nicht langweilig waren. Sie würden denken, ich hätte das alles frei erfunden. Ich würde mir etwas zusammenphantasieren. Was mir, um ehrlich zu sein, schon ein paarmal unterstellt wurde.

Ein kurzes Update über die Bewohner und Nichtbewohner von Pandora:

Sacha kam und ging wieder.

Dad kam, fuhr mit Sacha zum Flughafen und kam wieder.

Jules fuhr weg und kam wieder.

Chloë kam.

Michel kam mit ihr und ging wieder.

Dad fährt gleich wieder.

Mum fährt mit ihm.

Sadie ist weder gekommen noch gegangen.

Und ich auch nicht.

Heute Abend passt Jules auf uns Kinder auf, damit Mum und Dad zusammen essen gehen können. Eine Nachholfeier zum zehnten Hochzeitstag nach dem Fiasko neulich. Das ist ein gutes Zeichen.

Immerhin ist Chloë heute Abend zu Hause. Der mit dem Mädchennamen hat sie vor einer Stunde nach Hause gebracht, rechtzeitig zum Abendessen.

Dieser »Michelle« sieht verdammt gut aus, das muss ich leider zugeben. Als er heute mit uns auf der Terrasse saß und Chloë ganz schüchtern tat und unter dem Tisch seine Hand hielt, habe ich ihn genau in Augenschein genommen. Er ist groß und schlank und hat einen dunklen Teint und die blauen Augen seines Vaters. Er sieht mir gar nicht ähnlich, und ich wäre wahrlich überrascht, wenn er sich tatsächlich als mein Halbbruder erweisen sollte.

Nicht, dass bei dieser genetischen Lotterie Aussehen irgendetwas besagt. Wie oft sieht man auf der Straße richtig hübsche Kinder neben einem Elternteil einhergehen, das eher wie ein Mitglied der Addams Family aussieht.

Heute Nachmittag war ich so dicht dran.

Ich hatte mir ein Herz gefasst, um die Worte wirklich über die Lippen zu bringen. Ich hatte meine Mutter in die Enge getrieben, und ich glaube, sie hätte es mir gesagt. Und dann platzte diese blöde Kuh Jules ins Zimmer, und der Moment war vorbei.

Aber keine Sorge, liebste Mutter, es wird sich schon noch eine Gelegenheit ergeben. Bevor ich nach Hause fahre, will ich wissen, wer genau ich bin.

Neulich kam mir ein wirklich schrecklicher Gedanke: Was, wenn meine Mutter es tatsächlich nicht weiß?

Wenn ich – die grauenhafteste Vorstellung überhaupt – das Ergebnis eines betrunkenen One-Night-Stands bin?

Der Gedanke entsetzt mich, aber die Frage drängt sich doch auf, weshalb das Geheimnis der einen Hälfte meiner Gene besser gehütet wird als das Ende des letzten Harry-Potter-Bands.

So schlimm kann es doch nicht sein, oder?

Aber wahrscheinlich geht nur wieder mal meine Phantasie mit mir durch. Dass ich von dieser Frage so besessen bin, ist relativ neu. Und heute ist es mir zum ersten Mal fast gelungen, sie direkt zu fragen. Vielleicht müsste ich mich nur einmal in aller Ruhe mit ihr hinsetzen, ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Mutter und Sohn, und sie fragen.

Genau.

Abgesehen davon bin ich heute Abend sehr glücklich. Um nicht zu sagen, ekstatisch. Morgen früh zieht mein Todfeind aus. Ich brauche mich nicht mehr in meine Besenkammer zu sperren und morgens auf die erste Schwade von stinkendem Aftershave zu warten, die durch mein Schlüsselloch hereintreibt und mich an seine Erpresserexistenz erinnert.



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