Helden in Schnabelschuhen by Neft Anselm
Autor:Neft, Anselm [Neft, Anselm]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2015-04-29T16:00:00+00:00
Es gibt einen Moment kurz nach dem Aufwachen, der keine Vergangenheit und keine Zukunft kennt, nur leichte, unschuldige Gegenwart. Babysüß liegt man im Bett und weiß von nichts Bösem. Dann fährt das Hirn hoch und lädt ein paar ausgesuchte Erinnerungen und die Beurteilungs-Software in den Arbeitsspeicher. Von einer Sekunde auf die andere verwandelt sich Leichtigkeit in Qual. Der morgendliche Sündenfall. Anders ausgedrückt: Als ich diesen Morgen aufwachte, stieß mir ein greller Gnom unvermittelt einen Dolch in die Brust.
Ich lag auf dem Bett und registrierte mit wissenschaftlicher Neugier, wie ein stechender Schmerz von meiner rechten Herzkammer bis in die entlegensten Ausläufer des Fleischgebirges explodierte. Interessanterweise stellte ich mir den Schmerz als gleißend weißes Licht vor. Interessant deshalb, weil ich diese Schmerz-Licht-Metapher mal in einem schlechten Buch gelesen und für eine bemühte Konstruktion gehalten hatte. Nun sah ich, dass es stimmte: Mein Schmerz war weiß.
Vielleicht erlitt ich gerade einen Herzinfarkt, vielleicht starb ich jetzt. Aber wie ich mich kannte, würde ich nicht so leicht aus der Nummer rauskommen. Verblüfft stellte ich fest, dass der Schmerz noch zunahm, als mir der Journalist in den Sinn kam: schlank, präsent, selbstbewusst – ein geschlossenes System. Wer wollte es Katja verdenken, dass sie sich für ihn und nicht für mich – das wabbelnde Chaos – entschied? Ich selbst würde mich ja nicht für mich entscheiden. Einem Club, der mich als Mitglied akzeptierte, würde ich nicht beitreten, so viel Stil besaß ich dann doch noch. Ich hasste mich nicht nur dafür, dass ich so ein fetter Schwachkopf war, sondern erst recht dafür, dass ich mich dafür hasste und dafür wiederum hasste – eine Kettenreaktion des Selbsthasses, die sich wie Säure durch mein Herz ätzte und derart wehtat, dass ich bei aller Minderwertigkeit größenwahnsinnig wurde: So mussten sich die großen Märtyrer gefühlt haben, als man sie mit siedendem Öl übergoss oder ihnen die Haut vom Leibe pellte. Oh sagenhafte Qual! Ein unsichtbares Naturschauspiel. Bestimmt gab es Menschen, die für derartig intensives Erleben viel Geld gezahlt hätten. Und ich Glückspilz bekam das Ganze frei Haus und gratis. Da wollte ich nicht undankbar sein. Und schon hatte ich ein Kirchenlied im Ohr: Danke für diesen guten Morgen. Danke für jeden neuen Tag. Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.
Peers Idee, dass es für mich besser wäre, Katja erst einmal nicht zu sehen, konnte ich nachvollziehen, aber nicht umsetzen. Bereits am gleichen Abend sollten wir in »Hüppner’s Klangfabrique« zusammen das Lied »Douce dame jolie« einsingen – einen Gassenhauer aus dem 14. Jahrhundert, der sich inhaltlich so zusammenfassen lässt: »Schöne, zarte Dame, bitte töte mich, wenn du meine Liebe nicht erwidern kannst. Ich habe schon zu lange gelitten.«
Die ganze Band war von meiner Gesangsdarbietung beeindruckt. Nicht nur, dass ich fast alle Töne traf, Dieter bescheinigte mir obendrein eine einzigartige emotionale Wucht und beschloss, dass nur meine Stimme auf den finalen Mix sollte. Katja wurde gar nicht gebraucht, und sie bekam es kaum mit, weil sie ständig auf ihr Mobiltelefon guckte und hin und wieder sehr konzentriert auf der Tastatur herumtippte.
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