Heile, heile by Fuchs Kirsten

Heile, heile by Fuchs Kirsten

Autor:Fuchs, Kirsten [Fuchs, Kirsten]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Am nächsten Morgen horchte Rebekka in sich hinein und fand dort gute Laune, innerhalb ihrer Möglichkeiten. Doch, doch.

In der Küche saß ein Monster und sagte: «Du bist allein. So gemein allein.» Behaartebeinebaumelnd saß es auf dem Kühlschrank.

«Du bist ja da», antwortete Rebekka dem Monster. Schwupp, war es weg. Da das bewusste Radiohören nicht ausgewertet wurde, konnte Rebekka davon ausgehen, dass die Hausaufgaben nicht so wichtig waren. Die Hausaufgabe für diese Woche war, nicht so viel zu flennen. Da konnte sie ja auch ein bisschen flennen. Nur eben nicht zu viel.

Nach dem Frühstück rief Rebekkas Mutter an. Rebekka freute sich. Das war das klarste Anzeichen dafür, dass sie wirklich ganz gemein allein war.

«Schön, dass du anrufst», fand Rebekka.

«Na, du rufst ja nie an.»

Diese Königin der Muttiantwort aller Muttiantworten verdarb Rebekka die Freude. Der Satz saß auf dem Thron und hielt einen Staubwedel als Zepter: «Diesen Staubwedel habe ich unter Schmerzen geboren, aber du rufst ja nie an.»

«Frau Gose ist gestorben. Das wollt ich dir sagen. Frau Gose war doch deine …»

«Mama, ich weiß, wer Frau Gose war.»

Frau Gose war die Lehrerin, die Rebekka die schlechte Note für den Linealaufsatz gegeben hatte. An die Frisur von Frau Gose konnte sich Rebekka erinnern, die war wie von Mäusen angefressen. Frau Gose hatte sich für ein Gespräch mit Schülern immer hingehockt, auch wenn die lieben Kleinen schon gar nicht mehr so klein waren. Rebekka musste einige Male vor der hockenden Frau Gose stehen und auf den ausgedünnten Scheitel starren. Frau Gose hatte Rebekka ermuntert, sich mehr ins soziale Leben der Klasse einzubringen. Rebekka hatte genickt, damit dieses Gespräch so schnell wie möglich vorüberging. Der Geruch von Haarfett war direkt in Rebekkas Nase gestiegen. Sie war nicht mehr wütend über die Drei für den Linealaufsatz. Gestorben.

«Na gut, Kind, mehr gibt’s nicht zu erzählen», beschloss Rebekkas Mutter.

«Wie geht es dir denn?» Rebekka war doch lernfähig, feines Mädchen.

«Na, wie immer», sagte ihre Mutter.

Der Tag ging dahin. Rebekka hatte nie an Frau Gose gedacht. Eigentlich machte es keinen Unterschied, ob sie an eine lebendige Frau Gose nie dachte oder an eine tote. Frau Gose hatte einen riesigen Garten gehabt und alle darin wachsenden Früchte ständig eingeweckt. Zum Geburtstag hatte jedes Kind jedes Jahr ein klebriges Glas mit Schleife drum und trüben Früchten drin bekommen. Aus leckeren, roten, saftigen Erdbeeren, die man den ganzen Sommer über mit Sahne aufessen könnte, hatte Frau Gose unleckere, hellbraune, matschige Erdbeeren gemacht, die Rebekka im Winter verschmähte. Als Kind war sie sich sicher gewesen, dass das Einweckglas Einweckglas hieß, weil die Früchte darin eingeweckt wurden, bis sie wieder aufgeweckt wurden. Dazwischen schliefen sie.

Als Rebekka eingeweckt war, träumte sie, dass Adrian die Pille absetzte und danach ganz anders zu ihr war. Montag.

Rebekka träumte, dass ihre Mutter auf dem Balkon stand und eine Hummel verschluckte. Dienstag.

Rebekka träumte, dass sie da, wo ihr Puls war, eine Batterie fand. Mittwoch.

Die Tage waren langweiliger als die Träume nachts. Adrian verursachte Phantomschmerzen wie ein fehlender Sinn. Der siebente, der achte, der neunte, passe!

Auf die drei visitenkartengroß zurechtgeschnittenen Notfallkärtchen schrieb



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