Harte Zeiten by Tavaststjerna Karl August

Harte Zeiten by Tavaststjerna Karl August

Autor:Tavaststjerna, Karl August
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2014-01-01T05:00:00+00:00


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Die Gouverneure der acht Provinzen des Landes sandten die düsteren Ernteberichte weiter an den Senat, und als sie in den Zeitungen erschienen und draußen auf dem Lande gelesen wurden, mußten die Landwirte bekennen, daß die Lage nahezu verzweifelt war. Einzig die wohlhabendsten Bauern hatten genügend Saatgut für die jetzige Herbstaussaat besessen; all die ärmeren wagten nicht, ihre einzige Sicherheit gegen die Hungersnot in ein unsicheres Erdreich zu verschleudern, das ihre Hoffnungen im nächsten Jahr vielleicht ebenso enttäuschen würde, wie es in diesem Jahr geschehen war. Getreide zu kaufen, konnte für sie überhaupt nicht in Frage kommen, da die Preise um das Doppelte gestiegen waren und manch kleinerer Landwirt seit dem Beginn des Sommers höchstens den einen oder anderen größeren Geldschein, der sich in seine Gegend verirrt hatte, zu Gesicht bekam. Denn die Hungerkrise zog das Geld mit magnetischer Kraft wieder zurück an seine Quelle in Helsingfors, nachdem es alle möglichen Zwischenhändler passiert hatte. Dort lag es dann in sicherem Gewahrsam in den Bankgewölben zwischen massiven Stangen ungemünzten Goldes und anderen hinterlegten Wertgegenständen.

Nie hatten die Kapitalisten – allen voran die Regierung – bessere Finanzen aufgewiesen als jetzt. Der Zinsfuß stieg von Tag zu Tag, und als Sicherheit selbst für die kleinsten Kredite wurden hohe Hypotheken angeboten. Große Firmen in den Küstenstädten verdienten glänzend an Spekulationen mit der Not des Landes; sie importierten jetzt das Getreide, um das die Gemeinden die Regierung in ihren Eingaben im Sommer ersucht hatten, und verkauften es zu fabelhaften Preisen, während die Regierung die passive Rolle als Gönner der aktiven Spekulanten bevorzugte, ihnen gegen hohe Zinsen und gute Sicherheiten Geld vorschoß und das Kapital des hungernden Landes also mit all der Umsicht vermehrte, die einer klugen Obrigkeit ansteht.

Die Eisenbahnverwaltung ließ ganze Meilen der neuen Bahnstrecke weit unter dem Durchschnittspreis fertigbauen, und die Finanziers freuten sich darüber, wie sparsam mit öffentlichen Mitteln gewirtschaftet wurde, bewilligten den Beamten Teuerungszulagen und den Großgrundbesitzern Kredite, um die Unzufriedenheit im Zaum zu halten und ihre Finanzpolitik bei denen, die zu zweifeln wagten, über alle Zweifel zu erheben.

Früh kam der Winter und überzog die vielen unbestellten Felder des Landes mit Schnee, ließ Katen verfallen und kleine Höfe veröden. Ihre Bewohner suchten andernorts Schutz vor Hunger und Kälte, rotteten sich in den Dörfern zusammen, um wenigstens nicht allein zu hungern, und die Allerärmsten begaben sich auf eine lange Wanderung von Tür zu Tür. Eisenbahnarbeiter wurden zu Hunderten entlassen und quartierten sich von ihren geringen Ersparnissen des Sommers in Dörfern und Insthäusern25 ein. Wer keine Familie besaß, sah dem Winter verhältnismäßig gelassen entgegen, aber alle hofften sie auf einen raschen Frühling mit früher Schneeschmelze, Regen und klarer Sonne, die in aller Eile den Frost aus dem Boden ziehen und die Hänge wieder weich genug für die ersten Spatenstiche machen würde. Dann würden sie erneut an ihre Arbeit gehen, Butter aufs Brot streichen und der Zukunft hoffnungsvoll entgegensehen, die überstandenen Leiden vergessend und klüger in ihren Berechnungen fürs nächste Mal, wenn Arbeitslosigkeit, Kälte und Hunger sie von neuem überraschen sollten.

Das beste an dem frühen Winter war,



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