Hansetochter by Sabine Weiß

Hansetochter by Sabine Weiß

Autor:Sabine Weiß
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2013-08-15T00:00:00+00:00


16

Lübeck, März 1376

Adrian ritt, wie Mechthild Diercksen es ihm beschrieben hatte, vor den Stadtmauern an der aufgestauten Wakenitz entlang. Überall sah man jetzt die Zeichen des Frühlings. Als er einen guten Blick auf die Wassertürme der Brauwasserkunst hatte, zügelte er sein Pferd. Obgleich er das Tier erst vor wenigen Tagen erworben hatte, reagierte es gut auf seine Befehle. Einen Augenblick lang sah er zu, wie das hölzerne Schöpfrad das Flusswasser in einen Hochbehälter brachte. Von dort aus wurde es, wie er wusste, in das unterirdisch verlegte hölzerne Leitungsnetz gedrückt und durch die Pipen, längsdurchbohrte Eichenstämme oder viereckige Rinnen, in zahlreiche Brauhäuser und Straßen der Stadt geleitet. Adrian hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Dieses Leistungssystem war umso beachtlicher, wenn man die Hügellage der Stadt bedachte. Dass allerdings in der Nähe des Schöpfwerks für die Wasserleitung die Schlachthausabfälle in die Wakenitz mündeten, erschien ihm eigentümlich; möglicherweise bekam aber das Lübecker Bier gerade dadurch sein spezielles Aroma.

Gerade gestern hatte Adrian bei einem Brauer in der Hüxstraße im Ostteil der Stadt Bier für die Cruceborch bestellt. Voll des Stolzes hatte dieser Biermacher dem Kaufmann von Lübecks Braugewerbe vorgeschwärmt; natürlich hatte er sich einige Spitzen gegen die Konkurrenten aus Wismar und Hamburg nicht verkneifen können. Während sie sprachen, hatte Adrian die fünf in Lübeck hergestellten Biersorten probieren müssen – dickes Bier, Stopbier, Schiffsbier, Konvent, also Dünnbier und Kinderbier –, so dass er die Brauerei weniger klarköpfig verließ, als er sie betreten hatte. Im Gespräch hatte er sich verwundert gezeigt, dass das Wasser auf die Hügel gepumpt wurde, schließlich war es ein enormer technischer Aufwand. Der Brauer hatte ihm erklärt, dass das Wasser aus der Trave durch die Meernähe für die Bierherstellung zu salzig sei und das Brunnenwasser zu kalkig. Dieser Aufwand habe aber auch dazu geführt, dass das Braurecht beschränkt worden sei; anders als in anderen Städten durfte zwar jeder für den Hausgebrauch brauen, aber nicht jeder durfte das Bier auch verkaufen. Mit ihrem abgeschlossenen Handel war Adrian, ob nun wegen oder trotz der Bierprobe, zufrieden gewesen.

Knallen und Zischen durchbrach die Stille. Adrians Pferd scheute. Was war das gewesen? Es war aus Richtung der Hopfengärten gekommen, dort stieg Rauch auf. War Bruno Diercksen etwas geschehen? Er presste seinem Pferd die Hacken in die Seiten und wollte zu den Gärten reiten, doch das Tier verweigerte den Gehorsam und tänzelte unruhig auf der Stelle. Mit sanfter Stimme sprach Adrian in das angelegte Ohr des Pferdes, strich beruhigend über den Hals, und schließlich folgte es seinem Befehl.

Auf einer Wiese vor den Hopfengärten stand Ratsherr Diercksen mit einem Mann und einem Jungen. War es ein Überfall gewesen? Adrian ritt heran. Beide schienen bewaffnet. Diercksen wirkte jedoch nicht beunruhigt, seine Begleiter sahen eher verlegen als gefährlich aus. In einiger Entfernung bemerkte Adrian einen an einen Baum gelehnten Harnisch. Er sprang vom Sattel und nickte den Männern zu.

»Ich fürchtete schon, Euch sei etwas geschehen«, begrüßte er Bruno Diercksen.

Der Ratsherr stand über seinen Stock gebeugt, die Schultern rund und schief. »Passiert ist gar nichts. Mir nicht – und auch sonst nichts«, brummte er.



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