Hansesturm by Martin Ostheim
Autor:Martin Ostheim [Ostheim, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: UNKNOWN
veröffentlicht: 2022-08-31T21:00:00+00:00
Nowgorod
Jaroslav Dolgoruk, der Bojar von Nowgorod, empfing seine Gäste mit ausgebreiteten Armen. SchlieÃlich war er ein einflussreicher Bojar, einer der wichtigsten russischen Städte. Daher war es seinen Freunden und Gefolgsleuten wichtig, sich auf seinem Fest zu zeigen, das er jedes Jahr zum Frühlingsanfang gab. Doch auch die Reichen und Mächtigen waren von weit her angereist, um seinem Ruf Folge zu leisten. Auch ein entfernter Cousin aus Rostow hatte die lange Anreise nicht gescheut.
âAljoscha, mein Lieberâ, begrüÃte er ihn erfreut. âDu musst erschöpft sein. Tritt ein und genieÃe die Annehmlichkeiten meines Heimes.â
Aljoscha lächelte breit. Er war ein gut aussehender Mann in den Vierzigern, der in einen prachtvollen Zobelpelz gehüllt war. Jaroslav hatte ihn einige Jahre nicht gesehen und bemerkte die Sorgenfalten, die sich tief in seine Mundwinkel gegraben hatten.
âDanke für die Einladung, Jaroslav. Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Aber es sind schwierige Zeiten, in denen man sich gut überlegen muss, ob man die Sicherheit seines Heimes für eine Reise aufgeben will.â
Er winkte ab, als hätte er schon zu viel gesagt.
âDas hier ist mein Sohn Boris. Er ist zwanzig Jahre alt und wollte unbedingt mitkommen. SchlieÃlich hat sich die Schönheit deiner Tochter bis weit in den Süden der russischen Fürstentümer herumgesprochen.â
Jaroslav musterte Boris kurz und bemühte sich um ein Lächeln.
Aljoschas Sohn, der neben seinem Vater stand, wirkte längst nicht so eindrucksvoll wie sein Vater. Er hatte ein rundes Gesicht und lächelte ständig verträumt vor sich hin. Dabei gelang es ihm nie, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Jaroslav seufzte innerlich. Seit sich herumgesprochen hatte, dass er für seine Ilka einen Ehemann suchte, kamen die Bewerber aus allen Landesteilen und umschwirrten sie wie die Bienen den Honig. Fast bekam er dabei ein schlechtes Gewissen.
Doch Ilka war sechzehn Jahre alt und damit im heiratsfähigen Alter. Es wurde Zeit, dass sie einen eigenen Hausstand gründete, ihrem Mann eine gute Ehefrau wurde und ihm viele gesunde Kinder schenkte. Zwar war Ilka in diesem Punkt gänzlich anderer Meinung als ihr Vater. Aber er war schlieÃlich der Herr im Haus, verdammt noch mal. Ihn beschlich das Gefühl, dass er seiner Tochter viel zu oft ihren Willen hatte durchgehen lassen. Er liebte sie über alles. Doch nun war es allmählich an der Zeit, sie in die Hände eines guten Mannes zu übergeben, der eine ruhmreiche Zukunft vor sich hatte und über genug Macht und Ansehen verfügte, um ihr ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Ilka hatte sich lange dagegen gewehrt. In den letzten Monaten hatten sie oft darüber gestritten. Einmal war er so erzürnt gewesen, dass er ihr sogar den Unterricht mit Jacob verboten hatte. Darüber war Ilka beinahe zur Furie geworden, die mit erhitztem Gesicht und wild funkelnden Augen keinen Zoll zurückwich. Ihr zukünftiger Gemahl würde es schwer haben, dachte er nicht zum ersten Mal. Schade, dass sie kein Mann war, schoss ihm ein. Sie wäre ein würdiger Nachfolger geworden, der sich vor niemandem gefürchtet und keiner Auseinandersetzung ausgewichen wäre. Doch als Frau brauchte sie einen Mann, der für sie sorgte. Etwas anderes war in Russland undenkbar.
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