Haarige Zeiten by Graf Roger
Autor:Graf, Roger [Graf, Roger]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3502519919
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Die Polizei war zufrieden, nur unsereins rümpfte die Nase und machte sich auf den Weg in das Café Nierenstein, in dem dieser mysteriöse alte Mann angeblich Kalender verteilte. Ich setzte mich unauffällig in eine Ecke. Ein unbeholfener Kellner kam auf mich zu und kippte die Zuckerdose über meine Hose.
«Tut mir Leid, Maloney», sagte der Kellner, der unschwer als Hugentobler zu identifizieren war. «Aber die Hose müssten Sie sowieso wieder einmal waschen.»
«Hat man Sie endlich von der Pensionsliste gestrichen, oder jobben Sie hier schwarz, um Ihre Alimente zusammenzukriegen?»
«Aber nicht doch, Maloney, ich habe keine Kinder.»
«Die Kinder, die Sie nicht haben, werden Ihnen dafür dankbar sein.»
«Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wie wär es zum Beispiel mit einem doppelten Pfefferminztee?»
«Muss das sein? Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie hier nach dem unbekannten alten Mann Ausschau halten?»
«Genau, Maloney. Reine Routine. Es soll niemand behaupten, dass wir nicht jeder erdenklichen Spur nachgehen.»
«Und was ist mit Frau Bernet?»
«Ist noch in Untersuchungshaft. Sie behauptet, dass sie nach dem Streit mit Jimmy Küster den Konzertsaal verlassen hat und danach nach Hause gegangen ist.»
«Ein miserables Alibi. Ich hätte der Frau mehr zugetraut.»
«Ich muss jetzt wieder arbeiten, sonst falle ich hier noch auf.»
Er verließ meinen Tisch und rempelte einen jüngeren Mann an, der rückwärts über einen Cockerspaniel stolperte und sich den Kopf am Knie einer Frau anstieß. Die Frau sprang von ihrem Stuhl und riss dabei mit einer Handbewegung ein Bild von der Wand, dessen Glasrahmen zerbrach. Einige Scherben landeten in einer Cremeschnitte am Nebentisch. Ansonsten verhielt sich der Polizist unauffällig und zurückhaltend. Etwas später stand ich einer Frau gegenüber, die es gewohnt war, seltsame Wünsche zu erfüllen.
«Haben Sie den Text bereits formuliert, oder möchten Sie lieber ein Bild abdrucken?»
«Weder noch. Ich möchte eine Auskunft.»
«Tut mir Leid. Ich nehme nur Inserate entgegen.»
«Zum Beispiel von älteren Herren, die ein Konzert für Patrizia geben?»
«Soll das Inserat morgen wieder erscheinen?»
«Nein. Ich möchte wissen, wie der Herr heißt, der das Inserat aufgegeben hat.»
«Der Herr hat jeweils bar bezahlt.»
«Und wie viel Inserate muss ich bei Ihnen aufgeben, damit Sie mir mehr verraten?»
«An den Inseraten verdiene ich nichts.»
«Wie viel wollen Sie?»
«Zweihundert.»
Ich kramte in meiner Brieftasche und klaubte zwei Hunderter hervor, die ich mir für solche Gelegenheiten aufgespart hatte. Sie sahen zerknittert aus und waren auch sonst nicht mehr die jüngsten.
«Der Mann heißt Heinz Lauritz, und er wohnt an der Oberdorfstraße 12.»
«Sie sind sogar noch teurer als die Telefonauskunft.»
«Dafür stecke ich nicht in den roten Zahlen.»
Um zweihundert Franken erleichtert, ging ich an die Oberdorfstraße 12 und klingelte bei Herrn Lauritz. Ein schüchterner älterer Herr öffnete mir.
«Sie wünschen?»
«Ich komme von der staatlichen Kalenderkontrolle und wollte mich vergewissern, dass bei Ihnen die kritischen Tage noch vorhanden sind.»
«Wie bitte?»
«Sie sind doch Heinz Lauritz, der Kalender und Bombendrohungen unters Volk bringt?»
«Ich habe mir schon gedacht, dass die Polizei eines Tages bei mir aufkreuzen wird», sagte er müde lächelnd.
Ich überzeugte ihn davon, dass ich mit diesem Verein nichts zu tun hatte, und er ließ mich in der guten Stube Platz nehmen.
«Ich habe diese Musik nie gemocht.»
«Wenn alle, die irgendeine Musik nicht mögen, Bombendrohungen machten, wäre ganz schön was los in dieser Stadt.
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