HASENSTAB by Joachim Braun

HASENSTAB by Joachim Braun

Autor:Joachim Braun [Braun, Joachim]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783943528824
Herausgeber: Wiesenburg Verlag
veröffentlicht: 2014-12-21T05:00:00+00:00


Dieses E-Book wurde von der "pubbles GmbH & Co.KG" generiert. ©2014

3. Teil: Der Teufel

In dieser Mauernische beachtet ihn niemand. Adam hat ein Gespür für solche Stellen entwickelt; es gibt sie überall, Orte, die keiner betritt, nicht einmal wahrnimmt; es sind die Wohnstätten der Ratten. Er hockt und lauert auf die Reste, die vom Markttag der kleinen Stadt, deren Namen er nicht einmal weiß, übrig bleiben werden. Kartoffeln und Rüben werden angeboten, Schlachtvieh, Äpfel, Töpferwaren, Stoffe und Kleider; viel ist es nicht, was die Bauern und Händler anzubieten haben. Adam wäre schon mit einer Handvoll Rüben zufrieden. Zum letzten Mal gegessen hat er am Vortag, als er gegen Mittag auf dem Abfallhaufen hinter einem Gasthaus ein paar Stücke halb verschimmelten Brotes fand, dazu noch ein Hühnerbein, an dem zwar kein Fleisch mehr hing, an dem er aber so lange lutschte, bis er ein wenig Geschmack auf die Zunge bekam. Dennoch ist er fröhlich, bei bester Stimmung, weil er seinem finsteren Gefängnis entflohen ist, weil er überlebt hat, als Ratte und als Teufel zwar, aber am Leben; und sein Hunger ist ungeheuer, nicht nur nach gebratenen Hühnchen und frisch gebackenem Brot.

Nun kauert er bereits den halben Nachmittag in seiner Ritze. Vor ihm bückt sich die Bauersfrau und klaubt die Kartoffeln zusammen, die immer wieder vom Haufen herunter auf das Pflaster rollen. Seit Stunden starrt er mit bösen, kleinen Rattenaugen auf ihre Kruppe. Ihr wird er folgen, wenn sie später nach Hause geht; vielleicht dass nicht nur Rüben und Kartoffeln herausschauen.

Er ist irgendwo, hat die Orientierung weitgehend verloren, ist einfach dem großen Fluss entlang gewandert, der weiter im Süden in einem Gebirge entspringen muss. Manchmal fragt er Leute, wo er sich befindet, aber wenn sie ihn wegen seines Aussehens nicht verjagen oder vor ihm weglaufen, kann er mit ihren Antworten nichts anfangen, die Städtenamen, die sie ihm nennen, sind ihm unbekannt. So hält er sich also an den Fluss, an sein graues Wasser. Auf dem Leinreiterpfad kommt er immerhin recht schnell vorwärts.

Bisweilen hat er den Eindruck, dass die Bauersfrau sehr wohl weiß, dass sie aus dem Schatten der Mauernische heraus beobachtet wird, zu auffällig streicht sie ihre Haare zurecht und nestelt an ihrem Mieder. Möglicherweise aber macht er sich auch nur etwas vor. Seine Einbildungskraft ist überhitzt, zu lange war er alleine, steckte er in dem übel riechenden Loch im Schiffsbauch, in einem Rattenloch, wo er sich mit Bosheit mästete. Kinder hüpfen vorbei, treiben mit einem Stecken einen faulen Apfel vor sich her; Adam würde ihn nicht verschmähen, aber er wagt sich aus seinem Versteck nicht heraus, fürchtet Aufsehen und Geschrei, und schließlich das Hinausgeprügeltwerden aus der Stadt, wie es ihm bereits einmal widerfuhr. Er hat Geduld gelernt dort im Laderaum des Segelschiffes; in dieser Disziplin ist er unübertroffen.

Allmählich kriecht die Abenddämmerung in die Straßen; es ist Herbst, Adams Jahreszeit, wie er sie sich im Schiff tausende Male vorstellte und ausmalte. Die Nächte sind bereits empfindlich kühl, sodass er sich nach einem warmen Nest umsehen muss; und da käme ihm die Bäuerin gerade recht.



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