Grundlos - Kriminalroman by Gmeiner-Verlag

Autor:Gmeiner-Verlag [Gmeiner-Verlag]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2013-06-06T22:00:00+00:00

19.

»Welche Blumen möchten Sie?«, fragte die kleine Angestellte in der Blumen- und Friedhofsgärtnerei und lächelte.

Lena war das erste Mal in diesem Geschäft, an dem sie auf ihrem Weg nach Osnabrück vorbeikam, wenn sie die Landstraße und nicht die Autobahn nahm. Sie schaute auf ein Gesteck mit weißen Christrosen und roten Ilexbeeren, eines wie das, das sie im ersten Jahr an die Todesstelle von Christian gelegt hatte. In dem Jahr, als sie noch dachte, sie könnte dort bleiben. Sie hatte gar nichts gekonnt. Auch nicht an diesem neuen Ort so weit entfernt. Sie würde keinen Ort finden.

»Möchten Sie die Christrosen?«, fragte die junge, zähe Frau. Sie war neben Lena getreten und zeigte mit ihren schmutzigen Händen auf das kleine Gesteck. »Die sind wirklich schön und halten bei diesem Wetter lange.«

»Nein«, sagte Lena schroff und wendete sich barsch ab. Sie starrte auf die langstieligen roten Rosen. »Haben Sie auch kürzere Rosen?«, drehte sie sich nun langsam zurück zur Blumenverkäuferin, die weiterhin neben den Christrosen stand und Lena aufmerksam ansah. »Es tut mir leid«, sagte Lena. »Ich … Christrosen sind schön. Nur für mich nicht.«

»Mit Blumen ist es immer eine Geschmacksache«, stimmte ihr die Frau zu und hatte Lena den ruppigen Ton schon verziehen. »Es kann uns ja auch egal sein, wie lange die Blumen halten. Es geht ja um was anderes.« Die Frau im Blumenladen kannte sich aus mit den Trauernden, vielen war es völlig egal, manche wollten einen Kranz aus den Blumen, die die Verstorbenen geliebt hatten. Manche nahmen Blumen, die sie selbst liebten. Die Sparsamen wählten erst eine gewisse Zeit später einjährige Topfpflanzen, die sie bei einem Besuch am Grab einpflanzten, weil sie viel länger hielten als ein Strauß Schnittblumen.

Lena sah in das Gesicht der kleinen Frau, die sie mit freundlich abwartendem Blick ansah. »Es tut mir leid«, wiederholte Lena, »ich bin …« Sie brach ab, denn sie wusste nicht, wie sie fortfahren sollte, wusste nicht, wie sie sich fühlte, und vor allen Dingen nicht, wer sie war an diesem kalten Tag in der Friedhofsgärtnerei.

Die Frau nickte ihr verständnisvoll zu und empfahl ihr rote, kurzstieligere Rosen, die seien in der Blüte genauso schön wie die langstieligen, hielten aber länger, vor allem bei diesem kalten Wetter, und für ein Grab seien die Langstieligen ohnehin nicht so geeignet. Lena nickte und stimmte dem Vorschlag der Frau zu, die Rosen mit Grün aufzubinden.

»Soll ich sie einwickeln?«, fragte die Frau, nachdem sie ihre Arbeit beendet hatte.

Lenas Kopfschütteln beantwortete die kenntnisreiche Blumenfrau mit Verständnis, aber für den Weg wolle sie ihr die Blumen doch besser in Zeitungspapier einschlagen. Lena nickte und schaute mit um sich geschlungenen Armen abwesend zu, wie sie die roten Rosen in mehrere Lagen Zeitungspapier einrollte.

Die Ladentür klingelte beim Verlassen des Geschäfts, und Lena ging in der kalten Luft zu ihrem Auto, den Blumenstrauß in der Hand. Ihr Blick fiel auf den großen Friedhof, der an die Gärtnerei grenzte. Sie erwog einen Moment, auf diesem Friedhof ihren Besuch bei Christian nachzuholen. Sie zögerte jedoch, zu kahl und weit schien ihr diese Anlage in der Ummauerung, zu wenig geschützt den Blicken ausgesetzt, zu wenig einladend.

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