Grischa - Goldene Flammen by Leigh Bardugo
Autor:Leigh Bardugo
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Carlsen Verlag GmbH
veröffentlicht: 2012-03-28T22:00:00+00:00
Noch am gleichen Nachmittag stieß ich am See zu den anderen Ätheralki, um ihnen zum ersten Mal meine Macht vorzuführen. Ich ließ ein breites, schimmerndes Band aus Licht über die von Iwo beschworenen Wellen rollen. Vielleicht hatte ich meine Macht noch nicht so gut im Griff wie die anderen, aber es klappte. Um ehrlich zu sein, war es ein Kinderspiel.
Plötzlich schien vieles einfacher. Ich war nicht mehr ständig müde und nach dem Treppensteigen war ich nicht mehr so außer Atem. Ich schlief jede Nacht tief und traumlos und erwachte ausgeruht. Außerdem hatte ich auf einmal einen Bärenhunger, verputzte ganze Schüsseln voll Haferbrei mit Bergen von Sahne und Zucker, gebratenen Rochen, pralle Pflaumen und Pfirsiche aus dem Gewächshaus und dazu trank ich den klaren, bitteren Kwass. Ich hatte das Gefühl, in Baghras Hütte zum ersten Mal im Leben richtig tief Luft geholt zu haben, zu einem neuen Leben erwacht zu sein.
Da die anderen Grischa nicht ahnten, wie schwer es mir gefallen war, meine Macht aufzurufen, waren sie erstaunt über meinen Wandel. Ich verzichtete auf Erklärungen und Genja vertraute mir einige der absurdesten Gerüchte an.
»Marie und Iwo bilden sich ein, dass die Fjerdan dich mit irgendeiner Krankheit angesteckt hatten.«
»Ich dachte, Grischa werden nie krank.«
»Richtig!«, sagte sie lachend. »Darum klingt es ja auch so unheimlich. Angeblich hat dich der Dunkle geheilt, indem er dir von seinem Blut zu trinken gegeben und dir noch dazu einen Diamantenextrakt eingeflößt hat.«
»Ist ja ekelhaft«, erwiderte ich und musste auch lachen.
»Oh, das ist noch gar nichts. Zoja hat das Gerücht verbreitet, du seiest besessen. Unfassbar, oder?«
Ich musste noch lauter lachen.
Mein Unterricht bei Baghra war immer noch schwierig und ich fand nie richtig Gefallen daran. Aber ich genoss es, nun meine Macht aktivieren zu können, und ich hatte das Gefühl, Fortschritte zu machen. Anfangs hatte ich stets Angst, das Licht herbeizurufen. Ich befürchtete, zu versagen und wieder bei null anfangen zu müssen.
»Es ist nichts, das von dir getrennt wäre«, fauchte Baghra. »Es ist kein Tier, das vor dir zurückscheut oder sich jedes Mal überlegt, ob es kommen will, wenn du es rufst. Forderst du dein Herz zum Schlagen auf? Deine Lungen zum Atmen? Deine Macht dient dir, weil das ihr Sinn und Zweck ist. Weil sie gar nicht anders kann, als dir zu dienen.«
Manchmal war mir, als würde in Baghras Worten ein Schatten liegen, irgendeine Doppeldeutigkeit, die sie mir vermitteln wollte. Aber die Übungen, die ich machen musste, waren anstrengend genug und ich hatte ich keine Lust, mich auch noch mit den Geheimnissen einer verbitterten, alten Frau herumzuplagen.
Sie verlangte viel von mir, drängte mich, meine Macht besser zu kontrollieren und ihre Reichweite zu vergrößern. Sie lehrte mich, sie in kurzen, konzentrierten, flammend heißen Blitzen oder in anhaltenden Kaskaden zu verströmen. Sie zwang mich unablässig, das Licht aufzurufen, bis es fast von selbst erschien. Sie befahl mich mitten in der Nacht in ihre Hütte, obwohl es bei Dunkelheit fast kein Licht gab, das ich hätte nutzen können. Als ich endlich voller Stolz einen schwachen Sonnenstrahl aufleuchten ließ, stieß sie ihren
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