Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt by Müller Eva
Autor:Müller, Eva [Müller, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462306330
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2013-01-07T00:00:00+00:00
9.
»Mit denen will man es sich nicht verscherzen«
Was die Parteien sagen
Kurz nachdem Bernadette Knecht die offizielle Kündigung der Kirche bekommen hat, kaufen Canina Jung, Alice Ernst und die anderen Rauschendorfer Eltern zwanzig blonde Perücken. Das Video, das sie damit zeigt, findet sich auf der Rauschendorfer Homepage. Man sieht zunächst einen Mexikaner mit ausladendem Hut, dann sind da noch ein Cowboy und ein grüner Frosch. Wenige Sekunden später biegt der Festumzug um die Kurve. Es ist Karnevalssonntag. Vorneweg, wie immer, der Männergesangsverein »Gemütlichkeit« mit einem Traktor und einem unübersehbaren blauen Plakat, das auf das hundertdreißigjährige Jubiläum des Chors in diesem Jahr verweist. Dahinter ein Spielmannszug. »Und da«, ruft der Kommentator in sein Mikrofon, »kommt der katholische Kindergarten. Die Eltern, die an ihrer Leiterin Frau Knecht festhalten wollen.« Wer genau hinsieht, erkennt Canina Jung und die anderen unter halblangen blonden Kunsthaaren. Alle, auch die Väter, tragen weiße Hosen und rosafarbene Oberteile. Sie alle haben sich als Bernadette Knecht verkleidet. Kurz taucht ein Transparent im Bild auf und der Kommentator hebt noch einmal an: »Sie sehen es, der Kindergarten hat dieses Jahr das Motto: ›Wir möchten geKNECHTet werden‹. Wir möchten geKNECHTet werden! Auf unseren katholischen Kindergarten ein dreifaches Rauschendorf Alaaf!«
Nur eine Woche zuvor haben die Eltern ihren Bürgerantrag abgeschickt. So wie es ihnen der Bürgermeister empfohlen hatte. Darin heißt es: »Im Namen der Kindergarteneltern des katholischen Kindergartens Rauschendorf und als Bürger der Stadt Königswinter beantragen wir, dem katholischen Kirchengemeindeverband Königswinter am Ölberg, vertreten durch den Vorsitzenden Pfarrer Udo Maria Schiffers, die Trägerschaft des katholischen Kindergartens in Königswinter-Rauschendorf zu entziehen.« Wieder folgt eine Schilderung des Sachverhaltes, wieder legen sie all ihre Argumente dar und bemängeln die fehlenden Einflussmöglichkeiten: »Das halten wir für nicht mehr zeitgemäß.« Sie schreiben, dass sie davon ausgingen, dass die Verträge zwischen Stadt und Kirche kündbar seien. Dass ein neuer, nicht sonderfinanzierter Träger, der eigenes Kapital mitbringe, der Stadt und dem Steuerzahler obendrein Einsparungen bringen könne. Dass es in der Nähe nur eine Elterninitiative mit einer einzigen Gruppe gebe, im nächsten Dorf nur einen weiteren katholischen Kindergarten. »Wo also sollen wir die fünfundvierzig Kinder unterbringen?«, fragen die Eltern. Das Entscheidende aber sei: Sie alle hätten ihr Vertrauen verloren und fühlten sich dem formal vertragstreuen Träger hilflos ausgeliefert. »Die Aussagen der Kirche zeigen ein dem Zeitgeschehen entrücktes Weltbild, mit dem wir uns und viele andere Bürger sich nicht mehr zu identifizieren vermögen. Zudem müssen wir mit diesem Träger um jede unserer Erzieherinnen fürchten, wenn deren Leben einmal eine andere Entwicklung nimmt.«
Sie beklagen, dass es keinen respektvollen Umgang mehr untereinander gebe. »Wenn uns also der Träger nicht trägt und die Elternschaft geschlossen nicht mehr getragen werden will, ist das Vertrauensverhältnis zerstört und keine gemeinsame Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit gegeben. Wir gehen davon aus, dass damit auch die Grundlagen der Stadt Königswinter für die Zusammenarbeit mit diesem Träger weggefallen sind.«
Einhundertneunundneunzig Unterschriften liegen dem Bürgerantrag bei.
Das Problem: Die Grundlage der Zusammenarbeit der Stadt Königswinter mit der Kirche ist ein gültiger Vertrag. Die Kirche ist vertragstreu. Und die Kündigung von Bernadette Knecht rechtens. Nur die Eltern haben ein Problem mit der Kirche, die Vertragspartner untereinander nicht.
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