Gott Und Die Staatlichen Eisenbahnen by Ustinov Peter

Gott Und Die Staatlichen Eisenbahnen by Ustinov Peter

Autor:Ustinov, Peter [Ustinov, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783548601175
Google: CvWwPAAACAAJ
Herausgeber: List
veröffentlicht: 1993-01-01T23:00:00+00:00


»Ganz und gar nicht«, sagte Zvoinitch. »Erpressung dreht sich um ein finanzielles Geschäft. Falls wir vor den Richter treten müssen, werden wir schwören müssen, die Wahrheit zu sagen. Ich drohe nur an, genau das zu tun, was ich ohnehin unter Eid werde tun müssen.« Plageot blickte um sich wie ein Irrer.

»In Ordnung«, sagte er. »Ich werde Sie verschicken, aber es wird die Sahara sein, oder der Tschad – Ubangi-Shari, dort, wo die Hitze unerträglich ist.«

»Monsieur Plageot«, erwiderte Zvoinitch ruhig, »wir sind uns der Tatsache bewußt, daß es jedesmal, wenn wir aus Frankreich verschickt werden, auf Kosten der Allgemeinheit geschieht. Falls Sie sich an uns rächen wollen, indem Sie uns nach Äquatorialafrika schicken, werden nicht wir die Leidtragenden sein, sondern der arme Steuerzahler. Die Flugpassage ist wesentlich teurer. Es wäre mir eine unerträgliche Vorstellung, daß unser harmloser Spaß als Last für den kleinen Mann auf der Straße endet, nur weil Ihre Gefühle verletzt wurden.«

Genau diese gefühlvolle Rücksicht, vorgetragen mit solch bekümmertem Edelmut, war zuviel für Plageot, der sich einfach hinsetzte und weinte.

Nach einer Weile klingelte er nach Madame Pelbec. »Die Papiere, Mademoiselle«, sagte er matt, »für Korsika.«

»Hier sind sie«, antwortete Mademoiselle Pelbec und legte sie ihm auf den Schreibtisch. »Sie hatten sie schon bereit?«

»Oh, ja. Seit ich in der Zeitung las, daß der Imam kommen sollte.«

»Ich datiere sie zurück auf gestern, vor die Ankunft des Imam, für die Akten«, sagte Plageot und überreichte ihnen die Dokumente.

Die Situation war heikel. Die Attentäter nickten nur höflich und gingen hinaus. Sie geruhten nicht mal, ihren Dank abzustatten, aus Angst, einen weiteren Sturm zu entfesseln.

Plageot saß allein, und seine Seele war eine Wüste. Aus dem Büro nebenan hörte er Gelächter, und er konnte sich keinen anderen Grund vorstellen, als daß die Geschichte seiner Schande inzwischen die Runde durch den weitverzweigten Komplex von Gebäuden machte. Er wurde verbittert, und sein Mund spannte sich in einem energischen, melancholischen Bogen. Solche Erlebnisse sollten einen Mann läutern, seinen Starrsinn mildern. Mit einem letzten gequälten Schluchzen im Herzen blickte Plageot zum Himmel auf. Er wußte, er würde es weit bringen.

»Mademoiselle Pelbec«, rief er mit militärischer Stimme,

»bringen Sie mir die Deportationsakten neunzehn und einundzwanzig, sofort!«

Nur im Märchen kommt es vor, daß eine läuternde Erfahrung anhaltende Veränderungen im Charakter eines Menschen bewirkt. Monsieur Plageot wurde allenfalls härter und scheußlicher. Er nutzte jede Gelegenheit, um De Valde und auch Kellerer anzuschwärzen, ohne die Gründe für seinen Haß wirklich zu untersuchen. Seine Beziehung zu Annik war kalt, künstlich, gezwungen: Wenn er sie verletzen wollte, nannte er sie eine zweitklassige Schauspielerin. Nur in einer Hinsicht hatte der Zwischenfall mit den sechs Attentätern auf ihn eine Wirkung. Da er wußte, daß sie sich niemals zur Ruhe setzen würden, und er warten mußte, bis sie starben, schlug er die Morgenzeitung niemals mehr ohne ein Gefühl gräßlicher Beklommenheit auf.



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