Gold und Stein by Rehn Heidi

Gold und Stein by Rehn Heidi

Autor:Rehn, Heidi [Rehn, Heidi]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 978-3-426-41345-6
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-02-05T17:00:00+00:00


13

Das Wetter hatte vor einigen Tagen umgeschlagen. Unter heftigen Stürmen neigte sich der Sommer unweigerlich dem Ende zu. Erstes Laub wirbelte in den Gassen auf. Der Wind pfiff eisig um die Ecken. Agnes presste die Päckchen fest gegen die Brust und hob den Blick gen Himmel. Die Sonne verbarg sich hinter schweren, dunklen Wolken. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihre Last über der Stadt entluden. Wollte sie ihre Aufträge noch trockenen Fußes erledigen, musste sie sich sputen.

Auf den Straßen herrschte reger Betrieb. Bevor die kälteren, feuchten Herbsttage begannen, stürzten sich alle noch einmal in die Arbeit, um Lager und Vorratskammern zu füllen. Manch ein Brauer hatte verbotenerweise seinen Gärbottich zum Abkühlen vors Haus gestellt, daneben versuchten sich Hausfrauen im Anbieten von Suppe oder Gesottenem. Der Büttel würde seine Freude haben, wenn er die unerlaubten Feuerstellen erblickte. Bauersfrauen schoben sich mit vollgepackten Kiezen durch die Gassen. Die Obsternte war trotz der ungewöhnlichen Augusthitze üppig ausgefallen. Vor Winteranbruch galt es, die Früchte zu verkaufen. »Wollt Ihr kosten?« Ungefragt streckte eine Frau Agnes einen Apfel dicht vors Gesicht. Er duftete verführerisch. »Später vielleicht, ich muss erst einiges erledigen«, wehrte Agnes ab und eilte weiter.

Fast wäre sie gegen einen Karren gestoßen, den ein Knecht aus einem Hoftor auf die Gasse schob. Im letzten Moment sprang sie beiseite. Dabei drohte ihr das kostbare Päckchen mit den Borten zu entgleiten. Geistesgegenwärtig schnappte sie es gerade rechtzeitig wieder auf. Nicht auszudenken, wenn die Borten im Dreck gelandet wären! Erbost wollte sie dem Burschen etwas hinterherrufen, da erstarrte sie. Eine Frau verschwand eilig in dem Tor, aus dem der Karren gekommen war. Agnes meinte, ihren Augen nicht zu trauen: Gunda! Das konnte nicht sein. Sie musste sich getäuscht haben. In wenigen Schritten stand sie an der Hausecke, spähte in den dunklen Hof. Niemand war zu sehen. Weiter hineinzugehen wagte sie nicht. Sie musste einer Täuschung aufgesessen sein. Der Kummer um Laurenz’ langes Fortbleiben vernebelte ihr das Hirn. Große, braunhaarige Frauen gab es in der Stadt zuhauf. Außerdem hatte Meister Friedrich von dem Siegestaumel in Wehlau berichtet. Nach dem Abzug der Kreuzherren würde es dort also gewiss zugehen wie auf dem Jahrmarkt. Das hieße, dass im Silbernen Hirschen jede Hand gebraucht wurde. Das Bier musste gebraut, die Gäste bewirtet werden. Undenkbar, dass Gunda ausgerechnet jetzt Wehlau verlassen würde. Noch dazu, da sie gar nicht wissen konnte, dass Agnes sich im Löbenicht aufhielt. Agathas und Meister Jörgens Erzählungen zufolge machte Gunda zeit ihres Lebens einen riesigen Bogen um die Stadt ihres größten Unglücks. Agnes atmete auf.

Am Rathaus auf dem Löbenichter Markt wehte die rote Marktfahne. Rund um den gewaltigen Mälzerbrunnen sowie auf dem länglichen Platz bis weit in die Langgasse hinüber waren Stände aufgeschlagen. Anders als in der benachbarten Altstadt oder im Kneiphof boten vor allem Krämer aus der näheren und weiteren Umgebung ihre kupfernen Töpfe und Kessel an, ausgefallene Waren fanden sich kaum. Daneben gab es Körbe in allen Größen, Fischernetze und Reußen sowie diverses Geschirr aus Holz. Das zog sogar Kundschaft aus den beiden anderen Königsberger Städten an.



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