Gold und Stein 2 Serial Teil 2 by Heidi Rehn
Autor:Heidi Rehn [Rehn, Heidi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426423547
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2013-07-21T16:00:00+00:00
13
Auf dem Gemeindeland im Südosten Wehlaus herrschte ausgelassene Stimmung. Die Heuernte bereitete dem Gesinde großen Spaß. Flink hüpften die in helle Kittel, weiße Kopftücher oder gelbe Strohhüte gekleideten Mägde und Knechte mit nackten Füßen über die Felder. Weit ausholend schwangen die Burschen die Sensen, behende rechten die Mägde die abgeschnittenen Halme zu Haufen zusammen. Frauen und Kinder rafften sie zu Bündeln und verschnürten diese. Trotz der mühseligen Arbeit blieb allen genug Luft für ein fröhliches Lied oder eine freche Neckerei. Sanft trug der Wind das vielstimmige Lachen über das Land.
Agnes stand etwas abseits am Wegesrand und schirmte die Augen mit der flachen Hand gegen die gleißende Vormittagssonne ab. Die Finger ihrer linken Hand spielten gedankenverloren mit den Zipfeln des hellen Halstuchs. Sehnsüchtig sah sie dem Treiben auf den Wiesen zu. Wie wünschte sie sich, eine der lachenden Mägde mit den Heubündeln zu sein! Oder eine der Frauen, die das Heu zusammenrechten. Das unbeschwerte Lachen würde sie endlich auf andere Gedanken bringen. Viel zu oft hatte sie in den letzten Wochen von dem fremden Burschen mit dem Feuermal geträumt. In der Ferne erspähte sie eine Gestalt. Die Bewegungen schienen ihr vertraut. Laurenz Selege! Sie erstarrte und kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Er stand mit dem Rücken zu ihr, beugte sich zu einer der Frauen hinunter und küsste sie. Die Frau ließ den Rechen fallen, umarmte ihn und versank mit ihm in einem leidenschaftlichen Kuss. Agnes kribbelte es im Bauch. Sie meinte, Laurenz’ Lippen auf den ihren zu spüren, den Geschmack seiner Zunge im Mund zu schmecken. Jäh fuhr der Mann in der Ferne herum. Es war nicht Laurenz. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder weinen sollte. Sosehr sie Laurenz in einem Moment herbeisehnte, so sehr fürchtete sie im nächsten das Wiedersehen. Seit ihrer Genesung war er spurlos verschwunden. Die Zurückweisung seines wertvollen Geschenks musste ihn zutiefst verletzt haben. Beschämt senkte sie den Blick. Das hatte sie nicht gewollt. Zugleich wollte sie sich nicht mit ihrer Mutter und Großmutter überwerfen. Griet hatte recht, in der Liebe lagen Freud und Leid eng beieinander. Das eine schien ohne das andere nicht denkbar.
»Wir müssen weiter«, mahnte Ulrich und schob den Karren an. Agnes sah auf. Die zwei großen Fässer Bier sollten sie zu Kollmann ins nahe Bürgerdorf bringen. In der flirrenden Hitze kein angenehmer Gang, führte die von unzähligen Fuhrwerken stark ausgefahrene Straße doch mitten durch die Gemeindewiesen. Kaum ein Baum oder Strauch spendete Schatten. Dennoch war Agnes froh, den einäugigen Brauknecht begleiten zu dürfen. Es tat gut, für einen Tag aus Lores und Gundas Dunstkreis zu fliehen.
»Warum bringen wir Kollmann eigentlich regelmäßig Bier? Braut er nicht selbst welches oder bekommt es von den Bauern seiner Lischke?« Im Gehen brach Agnes sich am Wegesrand eine weiße Blütendolde ab, spielte mit den ausgefransten Blättern, roch an der Blüte und äugte dabei zu Ulrich. Das Schieben des Karrens war anstrengend. An den Rändern der verschlissenen Gugel, unter der sein blondes Haar verschwand, zeichnete sich dunkle Feuchtigkeit ab. Auch auf der Stirn stand ihm der Schweiß.
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