Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter by Brentano Clemens

Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter by Brentano Clemens

Autor:Brentano, Clemens
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


Zweites Kapitel

Der Morgen dämmerte kaum, als ich meinen Weg antrat; meine wenigen Geräte hatte ich im Gasthofe zurückgelassen, und mir vorgenommen, ehe ich mich Godwi als seinen unberufenen Geschichtschreiber zu erkennen gäbe, ihn unter einem andern Vorwande zu berühren, um seinen guten Willen zu gewinnen. Ich wollte mich für einen reisenden Künstler ausgeben, der Violettens Grabmal sehen wolle.

Ich ging unter diesen Gedanken den Berg hinauf, und hatte auch wirklich eine große Begierde, Violettens Grab zu sehen, denn der Gedanke des Bildes konnte unstreitig sehr schön ausgeführt sein, und ich liebe besonders bedeutungsvolle Werke, die zugleich schön sind, wenn sie auch nichts als sich selbst bedeuteten. Durch die Bedeutung erhält ein gutes Bild immer ein höheres Leben, denn es liegt so eine Geschichte in seiner Erscheinung, indem es, um schön zu sein, seine Bedeutung besiegt.

Als ich auf dem Berge angelangt war, ergoß sich eine herrliche Aussicht um mich, die Sonne ging schön auf, und es war mir sehr wohl. Ein schöner Wald drängte sich von der entgegengesetzten Seite, und rauschte freudig mit seinen Zweigen des Friedens in der frischen Morgenluft.

Ich fühle in einem Walde, bei den großen lebendigen Säulen der kühlen zusammenrauschenden Gewölbe, immer eine tiefe Berührung im Innern.

Friede, Versöhnung, freudigen Ernst und schaffende Ruhe könnte ich nur singen in Wäldern, bei den allmächtigen Stämmen, die nicht streitbar sind, in der Ruhe freudig verwachsen, sich umarmen und ausweichen, still und ernst, leises Wehen ihrer Küsse, und leichtes Sinken sterbender Blätter. Fest auf sich selbst und aus sich selbst, im Sturme mächtiges Brausen, kräftige, schwingende Bewegung, oder großer stürzender Tod, daß die Erde erbebt und die nahen Freunde mit hinab müssen zu der Ruhe; und wenn die Sonne aufsteigt und weggeht, wie die Gipfel sie golden begrüßen, und es niedersteigt an den Stämmen leise und feierlich, wie einer des andern Licht teilt und Dunkel, wie jeder seinen Schatten dann an den Boden streckt, das Maß seiner Größe, das endlich in allgemeiner Herrlichkeit zerrinnt, wenn der Mittag herabstrahlt und ihre Häupter in Pracht und Leben verglühen, während die Füße noch im kühlen Grabe der Schatten weilen, wie dann die Schatten wieder auferstehen, wenn die Sonne untergeht; wie endlich der letzte Kuß der Sonne noch an den Wipfeln hängt, bis alle gleich werden in der tiefen Nacht, wie sie es in der Pracht des Mittags waren, oder der sanfte Mond nach denselben Gesetzen den milden Tag der Liebe und des innern stillen Treibens im Herzen über sie ausgießt. Friede, Versöhnung, freudigen Ernst und schaffende Ruhe möchte ich nur singen in Wäldern.

An dem Ausgange des Waldes, der das ganze Tal erfüllte und auf der andern Seite wieder in die Höhe zog, wo er sich endigte, bemerkte ich einen hohen Rauchfang, auf dem ein Storch sein Nest erbaut hatte, und vermutete, daß dieses Gebäude zu dem Landgute gehöre. Der Storch war noch nicht wieder da, denn er hat eine weitere Reise zu machen als der Frühling.

Die Seite des Bergs, an der ich hinabstieg, war meistens Felsenwand, und hin und wieder mit reinlichen steinernen Treppen unterbrochen. Es



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